Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)
sorgsam gelockter, mit winzigen Brillanten verzierter Schnurrbart zu zittern begann.
Die könnte ich dir einzeln rausreißen. Danach rasiere ich dir deine hübschen blonden Hauptlocken, mit einem stumpfen Messer natürlich, und dann? Mal sehen, du würdest schön quieken!
Ilat lächelte in die Runde, genoss die furchtsamen Blicke, die sich reihenweise senkten. Nur Rynwolf hielt ihm stand, zwinkerte ihm sogar zu. Der Erzpriester unterschätzte ihn, das war bedeutsam. Zum Glück war er da der Einzige …
Ich brauche keinen Korabal. Ich treibe meine Feinde in den Wahnsinn, indem ich sie anlächle statt unsichtbar zu werden. Man sollte ein Theaterstück zu meinen Ehren schreiben!
Eine Gräfin erhob sich zögerlich, anscheinend war sie nun an der Reihe, vor dem Rat zu sprechen. Niemand hielt sie auf, Ilat winkte ihr duldsam zu. Irgendwann wollte er hier noch rauskommen! Einen Moment lang sinnierte Ilat über das üppig gefüllte Mieder der adligen Dame nach. Sie sprach von zu hohen Steuerlasten, ihre Provinz hatte viele Bäume für den Bau der königlichen Kriegsflotte geliefert. Der Kahlschlag war verheerend für ihr Volk, warum auch immer, Ilat interessierte es nicht.
Schickt doch Hexen, die werden den Wald schon wieder aufforsten. Ach nein, es gibt ja keine Hexen, nur von Ti abgefallene Weiber. Dann halt die.
Muss eine Fürstin sein, warum trägt sie kein Diadem? Nachlässigkeit, oder hat sie den Putz einfach nicht nötig? Sieh sie dir an, sie hält nichts von Prunk. Eingeheiratet, kein alter Adel. Denkt, kein Mann könnte sie beugen. Witwe, trauert aber nicht. Ich sollte sie heiraten, üppig genug ist sie. Muss ja sowieso noch schnell einen Sohn zeugen.
„Natürlich wird Eurer Provinz Steuernachlass gewährt, Verehrteste. Euer Beitrag zu unserem Sieg über Lynthis muss gewürdigt werden“, sagte er, als die Fürstin geendet hatte. Der komplette Saal schnaufte empört, einhundertsiebenundneunzig Adlige, Gelehrte, Meister und sonstige Ratsmitglieder verschlug es die Sprache. Ilat konnte doch nicht einfach eine einzelne Provinz bevorzugen!
Und ob ich das kann. Dafür bin ich König geworden!
Nun gut, dieses Gesetz, dass die dreizehn Mitglieder des Kronrates alle Entscheidungen absegnen müssen … Widersetzt euch, los, wagt es!
Nicht einmal dieser Streich konnte Rynwolf aus der Ruhe bringen. Der Erzpriester runzelte zwar leicht verärgert die Stirn, behielt aber ansonsten die Fassung. Ilat spürte, dass er nachdenklich gemustert wurde und unterdrückte den Impuls, Rynwolf die Zunge herauszustrecken. Um ihn herum waren all die würdigen Herrschaften aufgesprungen und diskutierten, schrien sich gegenseitig an, pochten auf ihre vermeintlichen Rechte. Niemand griff ihn an. Natürlich nicht. Sie fürchteten ihn.
Ein besonders junger Provinzfürst erregte seine Aufmerksamkeit, die Stimme des Jungen – er war vielleicht sechzehn, siebzehn Jahre alt – zeugte von kalter Wut und erhob sich dabei über das allgemeine Chaos, das Ilat genussvoll provoziert hatte.
„Mein Vater ist im Krieg gegen Lynthis gefallen, niemand hat auch nur gefragt, was dies für mein Haus bedeutet! Wer würdigt den Beitrag meiner Heimat?“, fragte er, heftig und verbittert.
Sind das da etwa Tränen? Tsss, man sollte Kleinkinder nun mal nicht auf einen Thron setzen! Sei froh, dein Erzeuger kann dich nicht mehr herumschubsen! Danken solltest du mir, ich habe dafür gesorgt, dass du an die Macht gekommen bist. Da wollt ihr doch alle hin.
Ilat fuhr sich gereizt über die Stirn. Der bohrende Schmerz kehrte zurück, wie stets, wenn er sich ärgerte. Was für eine Zeitverschwendung das alles war. Warum hatte man eigentlich entschieden, dass alle Provinzen selbstständig regiert wurden und nur abgabepflichtig gegenüber Roen Orm waren? Sie kamen letztendlich alle hierher und wollten, dass der König für sie die Entscheidungen traf, ob es nun um Bäume oder Rechtsellen ging. Was kümmerte es Ilat, wie kurz oder lang eine Elle war, das sollten die verfluchten Händler und Gilden miteinander ausmachen!
Plötzlich erstarrte er. Eine Vision, eine Idee von solch brillanter Klarheit erstrahlte vor seinem inneren Auge, dass er am liebsten gejubelt hätte. Warum hatte er das nicht schon vor langer Zeit erkannt? Warum hatte noch niemand vor ihm diese Idee gehabt? Sie war so nahe liegend! So schlicht, so vollkommen!
Oh ja, dafür werde ich ein Theaterstück bekommen … und nicht nur das.
Ilat wärmte sich an sonnigen Bildern von der nahen Zukunft. Eine Zukunft, die
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