Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)
doch sonst so rasch!
Besorgt trat Thamar näher heran und kniete auf der anderen Seite von Janiels leblosem Körper zu Boden. Inani war aschfahl, sie pumpte offenbar unentwegt magische Energien in den sterbenden Mann, der kaum noch zu atmen schien und so krank, so tot aussah wie jemand, der wochenlang an Wundfieber dahinsiechen musste. Warum half es nicht? Es sah eher so aus, als würde Janiel umso schneller verfallen, je mehr Inani sich bemühte. Konnte es sein …?
„Hör auf!“, rief er plötzlich und packte Inani an der Schulter. „Du bringst ihn um!“
„Lass das!“, fauchte sie, Zorn loderte in ihren bernsteingelben Augen. Wenn sie bereits auf die Kraft ihrer Seelenvertrauten zurückgriff, musste sie kurz vor dem Ende sein.
„Warte, Inani, bitte, hör mir zu!“, rief Thamar verzweifelt und zerrte sie zu sich heran, fort von Janiel. „Ich verstehe nicht viel von all dem, aber erst kürzlich wurde mir von einem Mann erzählt, der von kalter Magie berührt wurde, im Sterben lag und durch gewöhnliche Erdkräfte fast gestorben wäre. Es brauchte Unmengen von Feuermagie, um ihn noch zu retten. Ich weiß nicht, was kalte Magie ist, doch Janiel hat Wassermagie benutzt, Maondny sagte, dass er das nicht hätte tun dürfen, weil es nicht zu seiner Natur gehört!“, sprudelte Thamar hervor. Er war nicht sicher, ob er die Zusammenhänge mit Elementen und deren Wechselwirkungen richtig verstand, doch es schien alles so passend!
„Wassermagie? Bist du sicher?“
Verwirrt starrte Inani auf den Geweihten nieder, der kaum noch zu atmen schien, wenn überhaupt, blickte sich dann verwirrt in dem nachtschwarzen Wald um. Erst jetzt schien ihr klar zu werden, wo sie sich befand. Benommen streckte sie die Arme aus und sah wie ein kleines Kind auf die Nässe, die der Nieselregen über ihre Haut legte.
„Du bist mir eine lange Erklärung schuldig, Thamar von Roen Orm“, murmelte sie und sammelte sich.
„Ein Glück, dass ich das Feuer beherrsche, sonst wäre alles verloren.“ Sie schien mehr zusammenzubrechen als sich niederzuknien, schüttelte mehrmals wütend den Kopf bevor sie sie wieder die Hände auf Janiels Brust legte.
Thamar sah keinen Unterschied in dem, was sie tat, aber es musste die richtige Art von Energie sein, denn schon bald bewegte sich Janiel unter ihren Händen und atmete hörbar tief ein.
„Das muss genügen.“ Inani keuchte angestrengt, sie sah selbst wie eine Fieberkranke aus. „Es ist zu kalt und zu nass hier draußen. Thamar, kannst du ihn für mich tragen? Nur ein kurzes Stück, durch den Nebel. Wenn ich ihm ein trockenes Lager bieten kann, wird er es allein schaffen zu überleben.“
Seufzend stand Thamar auf, er freute sich selbst auf einen warmen Ort, an dem er schlafen durfte. Auch wenn er fürchtete, dass ihm das noch lange nicht vergönnt sein würde.
Zwar hatte er geplant, bereits morgen Nacht beim Splitter der Pya anzugelangen, endlich diese unselige Aufgabe zu beenden und danach zu seinen Verbündeten zurückzukehren, bevor diese ihn fallen ließen. Aber was war schon ein Tag Verlust, nachdem er bereits Ewigkeiten durch die Wildnis geirrt war?
„Na komm, Bruder, bald hast du es geschafft“, brummte er Janiel zu und schulterte den jungen Mann. Der Geweihte war in etwa genauso groß wie er selbst, wenn auch etwas schmaler gebaut. Unter normalen Umständen hätte Thamar ihn leicht tragen können, so wie er es nach ihrem Kampf bereits getan hatte; doch mittlerweile war er erschöpft und schwankte unter seiner Last. Zum Glück war es wirklich nicht weit, Inani führte ihn sicher durch den Nebel in das Reich der Hexen, auf direktem Weg in ihre Hütte.
Verwirrt blickte Thamar auf das Chaos, das ihn empfing. Inani war stets viel zu beschäftigt, um für Nebensächlichkeiten wie Ordnung Zeit zu haben, aber hier sah es aus, als wäre ein
Wirbelsturm hindurch gefegt. Normalerweise achtete sie besser auf ihre Besitztümer. Verstohlen musterte er ihr Äußeres im Licht der Kerzen, die sie überall entzündete, dabei unbekümmert über Schriftstücke, Kleider und sonstige Gegenstände hinweg trampelte. Ihr Haar war knotig, das graue Wollkleid an mehreren Stellen zerrissen. Sie war nicht regelrecht verwahrlost, doch in deutlich schlechter Verfassung. Und warum trug sie die Farbe der Trauer?
„Leg ihn dorthin, warte …“ Mit fahrigen Bewegungen warf sie einen Stapel Pergamentrollen von ihrem Bett, um Platz zu schaffen.
„Inani, er ist völlig durchnässt“, sagte Thamar leise.
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