Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)
sagen sollen, die schon länger allein in einer Traumwelt ausharrte, als sie beide überhaupt lebten?
„Esst, nehmt, was immer ihr wollt“, rief Ledrea und wies lachend auf das Essen. Ihre Augen blieben leer. Sie erschien wie eine Statue, eine Erinnerung an etwas, das einst schön und lebendig gewesen war.
Nachdem sie die köstlichen kleinen Fruchtkuchen und den Tee genossen hatten, machten sie sich bereit für die Rückkehr in die wirkliche Welt. Ledrea träumte ihnen noch rasch geeignete Ausrüstung für den Tiefschnee herbei, dann mussten sie erneut die Lider schließen und warten, bis die Elfe die Veränderung erschaffen hatte und sie wieder im Schnee standen. Der Sturm hatte sich gelegt, doch der Himmel war tief verhangen und drohte, noch mehr von seiner weißen Last auf sie niedergehen zu lassen.
„Könnt ihr mich sehen?“, fragte Ledrea ängstlich.
„Ja, natürlich. Und schau, du hinterlässt Fußabdrücke“, versicherte Pera.
„Also ... bin ich vielleicht tatsächlich hier.“ Ledrea zitterte leicht. Pera streckte unsicher die Hand nach ihr aus, aber sie wich vor ihr zurück.
„Verzeih, ich ... war wirklich lange Zeit allein.“ Sie lachte, was diesmal beinahe wie Schluchzen klang. „Lass mich einfach, es wird schon gut werden. Irgendwann wird alles gut.“ Es klang wie ein Versprechen, das sie sich selbst einmal zu oft gegeben hatte.
„Wie hast du es ausgehalten? Die ganze Zeit allein, ohne Hoffnung?“, fragte Jordre behutsam.
„Hoffnung? Ach, die habe ich nicht weiter vermisst. Es war irgendwann ... irgendwie einfacher, weiter zu leben. Was hätte ich sonst tun sollen? Würde ich sterben, gäbe es niemanden, durch den ich wiedergeboren werden könnte. Ich müsste also bei den Jenseitswächtern ausharren, bis tatsächlich alle Elfen in allen Welten dahingegangen sind, und danach? Möglicherweise in einen nicht-elfischen Körper hineingeboren werden? Nein, es war einfacher, hier zu bleiben und zu lernen, nicht mehr zu warten. Ich wusste von der Prophezeiung, es gab darum einen Funken Hoffnung, dass sich irgendwann etwas ändert. Auch, wenn ich mich daran mehr verbrannt als gewärmt habe … Diesen Funken gibt es immer noch, offensichtlich. Ihr seid ja jetzt da.“
Ruckartig wandte sie sich ab und stapfte durch den Schnee voran. Pera und Jordre starrten ihr einen Moment lang hinterher, dann folgten sie ihr.
Ebenso ruckartig wie zuvor blieb Ledrea wieder stehen.
„So brauchen wir zu lange. Ich werde mich ... ja, so geht es. Nicht erschrecken“, murmelte sie. Ihre gesamte Gestalt schien kurz aufzuleuchten. Eine Weile lang geschah nichts, außer, dass Ledrea auf irgendetwas wartete. Als Pera gerade drängen wollte, doch lieber weiter zu gehen, sah sie plötzlich ein halbes Dutzend dunkler Punkte am Himmel, die sich rasch auf sie zubewegten.
„Ich habe ganz kurz meine Aura gezeigt. Normalerweise verstecke ich mich, ähnlich, wie Chyvile das mit euch gemacht hat. Osmege konnte mich nicht lange genug sehen, er weiß nicht, was und wer ich bin, ob ich nicht womöglich einer seiner zahlreichen Albträume war, aber er geht kein Risiko ein und schickt ein paar Späher. Und die können wir gut nutzen. Seid leise und mischt euch nicht ein!“
Alle drei standen still, als die geflügelten Chimären – irgendwelche nicht mehr erkennbaren Scheußlichkeiten – in der Nähe landeten und die Fußspuren untersuchten, die sie hinterlassen hatten. Unweigerlich gelangten sie bis zu der kleinen Gruppe. Pera wurde unruhig, wollte vor diesen riesigen Biestern fliehen, die gänzlich aus Pranken und Schnäbeln zu bestehen schienen. Wölfe und Vögel waren dafür wohl vereint worden, sie sah Pelz und Federn und jeweils drei Klauenfüße und eine einzelne Pfote.
Wie jagen sie nur? Land- und Lufttier gemischt, woher wollen sie wissen, welcher Instinkt der richtige ist? Unwillkürlich wurde sie von Mitleid mit diesen Bestien erfasst. Ein Glück, dass sie vor den Blicken der Chimären beschützt waren. Jordre legte einen Arm um ihre Taille und hielt sie fest. Er war durch Chyvile an merkwürdige, gefährliche Einfälle gewöhnt und vertraute sicher darauf, dass Ledrea einen Plan hatte.
Die Augen der Elfe leuchteten kurz in magischem Licht, alle sechs Chimären erstarrten. Rasch lief sie zu ihnen, zerrte drei von der Gruppe weg und murmelte dabei die ganze Zeit vor sich hin. Die Spuren im Schnee verschwanden. Nur einen Moment später regten sich die drei Monster, die nicht von Ledrea berührt worden waren, suchten noch kurz
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