Roen Orm 4: Herrscher der Elemente (German Edition)
Das, was nicht sein konnte, denn all diese Mächte zerstörten sich gegenseitig. Inani griff nach ihr, verwirbelte sie zwischen den Händen, formte eine dichte Kugel daraus. Unschlüssig, welches Geschöpf sie zuerst erlösen wollte, zuckte sie schließlich die Schultern und blies sanft über das schwarze, pulsierende Gebilde. Myriaden winziger Teilchen stoben in alle Richtungen, wie entsetzliche Schmetterlinge des Todes. Nun gab es keine Tänzer mehr, Inani war allein. Ein Jammer, die Feuerwesen waren so schön gewesen!
Dann tanze ich noch ein wenig hier, bevor ich mich zu den Göttern begebe, dachte sie zufrieden. Sie hörte Flügelrauschen, blickte sich aber nicht nach dem großen Geschöpf um, das sich rasch näherte. Gewiss war es Geshar, der gekommen war, sie heimzutragen, nach Hause zu den Göttern. Sie war bereit für ihn.
~*~
Corin flog. Blinde Entschlossenheit trug sie voran, ihr gesamtes Denken war auf ein einziges Ziel gerichtet: FINDE HILFE!
Nie zuvor hatte ihr Richtungssinn sie fehlgeleitet. Sie hatte so deutlich gespürt, wohin sie im Nebel laufen musste, ausgeschlossen, dass es einfach keinen besseren Ort zur Flucht gegeben hatte! Die Feuerkugel, die sie gestreift hatte, wäre beinahe ihr Tod gewesen. Corin machte sich nichts vor, sie würde an den Folgen der Verbrennungen sterben, und das bald schon. Die Feuermagie verhinderte, dass sie sich magisch selbst heilen konnte. Dennoch flog sie weiter, getrieben von der Gewissheit, irgendwo gab es irgendetwas, irgendjemanden, der ihr und vor allem Inani helfen konnte. Sie weigerte sich zu glauben, dass Inani im Todestanz sterben würde, das war einfach undenkbar! Gewöhnliche Hexen mochten so enden. Ihre Mutter war auf diese Weise gestorben. Nicht aber Inani. Man erzählte sich von zwei Dunklen Töchtern, deren Opfer von Pya abgelehnt worden war, die nach dem Todestanz lebendig zurückgekehrt waren. Dies musste auch für Inani möglich sein!
Corin hörte den Ruf ihrer Seelenvertrauten. Die Taube versuchte alles, um zu ihr zu gelangen, sie hatte den Nebel verlassen, dort, wo er blockiert wurde und flog nun den langen Weg zu ihr. Sie schickte sich an, erneut in den Nebel einzutauchen, doch das wollte Corin nicht zulassen.
„Warte im Nebel“ , befahl sie. „ Die Priester werden bald sterben oder nicht mehr die Kraft haben, dich zu verletzen.. Warte, bis es soweit ist.“
„Unser Ende ist nah, Schwester“, gurrte die Taube.
Corin antwortete nicht. Sie brauchte alle Kraft, um ihre Flügel zu bewegen. Als sie schon längst nicht mehr sah, wohin sie flog, spürte sie mit einem Mal: Sie war angekommen. Vertrauensvoll ließ sie sich gegen den schweren Körper prallen, der das Ziel ihrer Flucht gewesen war. Ihre und Inanis einzige Hoffnung.
~*~
„Au!“ Verwundert starrte Eiven auf den Vogel, der gegen seine Brust geflogen war. Er schaffte es gerade noch, ihn aufzufangen, bevor er zu Boden fiel. Gemeinsam mit Avanya hatte er das seltsame Treiben in der Ebene beobachtet – Nebel, dunkle, ferne Gestalten, feurige Kugeln, Rauchsäulen. Dann die Gewitterwolken, die sich genau über diesen Gestalten aufbauten, Erschütterungen und Erdbeben, die bis hierher zu spüren waren. Sie wussten beide, dass dort Magier gegeneinander kämpften, darum hielten sie sich bewusst so weit entfernt, wie es möglich war. Jetzt war er froh, dass Avanyas panische Angst vor unbegrenzter Weite sie gezwungen hatte, am Rand der Ebenen zu wandern. Andernfalls hätten sie sich vielleicht inmitten der entfesselten Mächte dort wieder gefunden und wären wohl darin umgekommen. So wie diese Taube hier. Das weiße Gefieder war von Ruß überzogen, der linke Flügel und die Brust schwarz verbrannt. Wie das winzige Geschöpf es geschafft hatte, soweit zu fliegen, war ihm ein Rätsel. Avanya trat neben ihn, sie starrte die Taube mit weit aufgerissenen Augen an. „Eiven …“, begann sie.
Der Vogel regte sich plötzlich. Eiven und Avanya schrien zugleich auf, als das Tier sich verwandelte: Eine blonde junge Frau lag nun schwer verletzt in Eivens Armen.
„Corin!“ Avanya half, die wimmernde Frau zu Boden gleiten zu lassen.
„Du kennst sie?“
„Ja. Eiven, sie ist eine von den Hexen, die mir geholfen hatten. Corin, kannst du mich hören?“ Avanya zog den Kopf der Verletzten in den Schoß und beugte sich tief zu ihr hinab. Benommen untersuchte Eiven die Verbrennungen. Er hatte schon einige entsetzliche Wunden gesehen, Loy, die schreiend vor Schmerzen gestorben
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