Roen Orm 4: Herrscher der Elemente (German Edition)
den Nebel herbei, der vom Strudel scheinbar verschlungen wurde. Hand in Hand traten die beiden Frauen an den Rand der Nebelpfade, blickten dann ein letztes Mal zurück zu ihren Freunden.
„Bis bald“, sagten sie gemeinsam, und gingen ein in die Zwielichtwelt.
35.
„Meine Erzählungen sind nicht zu lang! Manches Kapitel, das sinnlos erscheint, weil es die Handlung nicht voranbringt, ist bis zum Rand gefüllt mit wichtigen Dingen, ohne die das Ende keinen Sinn ergeben würde! Ich schreibe kein einziges Wort, das nicht genau an die Stelle gehört, wo es steht.“
Zitat aus einem Brief von Erim Hargalt, Verfasser von „Zwischen den Welten“, an einen kritischen Leser
Inani hätte alles erwartet, als sie Maondnys Führung folgend aus dem Nebel trat: Angriffe wilder Chimären, oder das Gesicht von Osmege nur einen Hauch von ihrem eigenen entfernt. Doch sie fand sich in einer leeren, öden Steinwüste wieder, in der das Lied der göttlichen Geschwister erklang, mit solcher Klarheit und süßer, überwältigender Macht, dass Inani unwillkürlich Tränen in die Augen stiegen. Ein junger Mann, ein Orn, starrte sie an, in seinem Gesicht spiegelte sich Misstrauen, aber auch Hoffnung. Ein dünnes Mädchen stand ein wenig abseits, sie beendete die Melodie der Götter, die sie gesungen hatte. Ehrfürchtig musterte Inani dieses Kind, das die Sphärenmusik singen konnte.
„Seid gegrüßt, Jordre und Chelsa. Fürchtet uns nicht, wir sind gekommen, um zu helfen“, sagte Maondny an ihrer Seite. Inani blieb magisch mit ihr verbunden, um die Sprache der Orn verstehen zu können.
„Inani, dort drüben liegt Pera, die Gefährtin der Steintänzerin. Sie stirbt, könntest du ihr helfen? Achte darauf, deine Magie zu tarnen, Osmege findet dich sonst.“
Froh, sich von ihrer Verwirrung über diese fremdartige Welt ablenken zu können, kniete Inani neben der jungen Frau nieder, die bewusstlos am Boden lag. Ob sich die Kräfte der Erde hier ebenso anfühlen würden wie in Enra? Sie legte die Hände auf Peras zerschmetterten Körper und öffnete sich dem Muster, das keinen Unterschied zu dem von Enra besaß. Sofort wurde klar, dass Pera beinahe jenseits jeder Hilfe war.
„Maondny, ihre Verletzungen sind zu schwer, das schaffe ich nicht allein!“, sagte sie bedauernd. „Ihr Herz hat bereits aufgehört zu schlagen, ihr Leben ist nur noch ein Funke!“
„Ich helfe dir. Nimm von meiner Kraft, was du brauchst!“
Inani zögerte, aus Sorge, die Freundin könnte noch zu geschwächt von der Erschaffung der magischen Verbindung sein, doch Maondny schien eher stärker zu sein als jemals zuvor.
„Der Bund mit euch hat mich gestärkt, und hier zu sein, so nah am Ziel meiner Lebensaufgabe, das gibt mir Kraft. Anevy mag vergiftet sein, dennoch, es ist die Welt, in der Elfen zuhause sein können.“
Die Körper der Orn schienen widerstandsfähiger als die von Menschen zu sein. Obwohl Pera schon längere Zeit ohne Herzschlag niedergelegen haben musste, gab es keine Schäden an ihrem Gehirn. Inani nutzte alle Erfahrung, um die junge Frau zu heilen.
„Mein Name ist Maondny, ich bin die Tochter von Taón und Fin Marla“, erklärte ihre Freundin an Jordre und Chelsa gewandt, als Pera wieder halbwegs bei Bewusstsein war und sich schwach unter Inanis Händen regte. Gleichgültig, wie oft sie bereits Magie gewirkt hatte, es blieb ein Wunder, das Inani mit andächtigem Staunen erfüllte.
„Diese Frau an meiner Seite stammt aus Enra, der Fluchtwelt des Elfenvolkes. Ihr Name ist Inani, ihre Magie hat mich hierher gebracht. Und ja, sie könnte alle Elfen auf diesem Weg nach Anevy führen. Aber das würde Osmege nicht vernichten. Die Prophezeiung muss erfüllt werden, nur dann besteht Hoffnung.“
Jordre sagte keinen Ton, er wirkte verwirrt und überfordert. Das Mädchen neben ihm sah verträumt in den Himmel, fast, als würde das alles sie gar nichts angehen. Sobald Pera die Augen aufschlug, kniete er mit Chelsa an ihrer Seite nieder. Maondny blickte Inani ernst an. „Kannst du bitte für ein wenig Chaos sorgen? Ich werde diese drei geistig in den Zeitenstrom mitnehmen und ihnen ihre Erinnerungen zurückgeben. Währenddessen sind wir angreifbar. Osmege hat bereits gespürt, dass sich etwas verändert hat, es wird nicht lange dauern bis er weiß, was genau. Er erholt sich bereits von Chelsas Lied, das ihm Schmerzen und Angst bereitete.“
„Moment, was meinst du …“, begann
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