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Röslein rot

Röslein rot

Titel: Röslein rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Mann, der Vater unserer Kinder, mit dem ich schon lange zusammenlebte, den ich zu lieben und zu kennen glaubte, die Psychose eines Mädchens ausnutzte.
    Sollte ich mit meinen Freundinnen darüber sprechen? Mit Ellen, am Ende gar mit meiner Mutter? Ich brachte es nicht fertig; letzten Endes hielt ich es auch für eine Bankrotterklärung unserer Ehe, daß sich mein Mann an einer völlig naiven Träumerin vergriffen hatte.
    Wir sprachen wenig miteinander, vor den Kinder verstellten wir uns, ohne daß es abgesprochen war. Die gemeinsamen Mahlzeiten fielen kurz aus. Ich verrichtete im großen und ganzen meine hausfraulichen Pflichten wie stets, bezog aber nur mein Bett und nicht seins, preßte nur den Kindern Orangensaft aus und nicht ihm und stopfte Reinhards Leibwäsche zusammen mit den Putztüchern und stark färbenden Lumpen in die Waschmaschine. Aber ich erledigte keinerlei Büroarbeiten mehr, denn die haßte ich am meisten.
    Die gewonnene Zeit steckte ich voll und ganz in mein Familiengemälde. In kurzer Zeit nahmen Malte, Lara und Jost ihre endgültige Gestalt an. Leider fielen ihre Gesichtszüge ein wenig traurig aus. Die Kinder lagerten vorn auf dem Rasen, direkt im Anschluß sollten meine Großeltern auf Korbstühlen sitzen. In der dritten Reihe plante ich, Ellen und mich aufzustellen, neben uns meinen Vater mit seinen zwei Frauen. Mit plötzlichem Erstaunen bemerkte ich, daß ich gegen meine ursprüngliche Planung nicht bloß Reinhards Familie, sondern auch ihn selbst weggelassen hatte.

    Als mich Silvia besuchte, war ich beinahe versucht, mich bei ihr auszuweinen; schließlich war Treulosigkeit auch für sie ein rotes Tuch. Aber sie kam in der eindeutigen Absicht, sich ihrerseits zu erleichtern. Ihre Töchter Korinna und Nora hatten beschlossen, Veganerinnen zu werden.
    »Wie bitte?« fragte ich, »was ist das überhaupt? Eine Sekte?«
    Gegen Vegetarier habe sie als Pferdefreundin gar nichts einzuwenden, erklärte Silvia, aber die Veganer gingen in ihren Forderungen weit darüber hinaus: keine Lederschuhe, keine Wolle, keine Eier, weder Milch noch Honig - denn diese Produkte würden von den Tieren ja keineswegs freiwillig geliefert. »Mein edler neuer Sattel ist unauffindbar, sicher haben sie ihn bereits verscherbelt!«
    Ich hielt die Sache für pubertären Terror und riet ihr, ihnen eine Woche lang nichts als Gerstengrütze, Pellkartoffeln ohne Soße und rohes Gemüse zu servieren. »Die werden schon mürbe«, sagte ich, »das hält nicht lange vor!«
    Sicherlich habe sie sich zu wenig um ihre Kinder gekümmert, klagte sich Silvia an, im Unterbewußtsein wollten ihre Töchter wohl ihrem Pferd nacheifern und Hafer fressen, um von ihrer Mutter angenommen zu werden. Dann kramte sie aus einer Plastiktüte zwei Pullover für Lara heraus, die Korinna nicht mehr paßten. Reine Lambswool würde sie in Zukunft von sich weisen. Auch ich war bekümmert, weil ich für Lara nur noch Acryl- statt Wolljacken erhoffen konnte.
    »Übrigens, Lucie will uns einladen«, sagte Silvia, »aber ich soll es dir noch nicht sagen, sie ruft dich heute nachmittag persönlich an.«
    Ich zuckte zusammen. Erstens kränkte es mich, daß meine Freundin Lucie zuerst mit Silvia - die sie nur durch mich kannte - Kontakt aufgenommen hatte, zweitens fand ich es nicht erstrebenswert, daß die Gegeneinladungen so schnell aufeinander folgten. Es war noch nicht lange her, daß ich mich mit meinem mißratenen Tafelspitz blamiert hatte, und schon war Silvia zum Angriff übergegangen und hatte mir mit thailändischem Essen gezeigt, wie man es richtig macht. Und nun fühlte sich auch noch Lucie bemüßigt, uns beide zu übertreffen. Bei meiner derzeitigen angespannten ehelichen Situation war mir überhaupt nicht danach zumute, vor unseren Freunden das liebende Paar zu mimen.
    »Mit meiner Katzenallergie wird das eine Tortur«, sagte ich gedehnt, »einen ganzen Abend stehe ich niemals durch.«
    Tatsächlich rief Lucie noch am gleichen Tag an. Ich hatte mir überlegt, ihren Kater Orfeo als Grund für meine Absage anzugeben, aber sie überrumpelte mich. »Anne, wir werden draußen essen. Seit einer Woche haben wir eine neue Terrasse, rotbrauner Ziegelstein im Fischgrätmuster, das muß gefeiert werden! Ich weiß doch, daß du dich in kurzer Zeit in ein japsendes rotäugiges Monster verwandelst, wenn wir drinnen bleiben würden...«
    Mir fiel so schnell keine Ausrede ein. Ganz matt behauptete ich, Reinhard habe etwas von einer anderen Einladung gesagt.
    »Da

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