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Röslein rot

Röslein rot

Titel: Röslein rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Verdacht, daß Silvia mich nachsehen lassen wollte, was Udo so trieb. Außerdem rechnete sie mit Sicherheit damit, daß ich - und nicht Udo - Brille und Zahnspange verpackte und zur Post brachte. Wie sollte er das auch schaffen, wenn er morgen verreisen mußte?
    Als wir im Auto saßen, fragte ich möglichst beiläufig: »Wie kamst du ausgerechnet darauf, dein Büro könnte brennen?« Reinhard drehte am Radio herum. »Ach so, das habe ich dir gar nicht erzählt. Als ihr verreist wart, ist um ein Haar eine Katastrophe passiert. Gülsun hat die Glaskugel ans Fenster gestellt. Beinahe sind wichtige Dokumente verbrannt, weil das Ding wie ein Brennglas wirkte. Doch zum Glück änderte sich dann das Wetter, und es sind nur ein paar Senglöcher entstanden.«
    Udos Wagen stand vorm Haus. Unser Klingeln blieb ungehört, Silvia hatte recht, irgend etwas war nicht in Ordnung. Im letzten Jahr hatte ich während des heißen Sommers, als sie im Urlaub war, regelmäßig die Geranien gegossen. Wie damals steckte der Hausschlüssel im Übertopf einer Palme. Kein gutes Versteck, befand Reinhard, ein erfahrener Einbrecher wisse, daß die meisten Leute ihre Ersatzschlüssel unter einem Stein oder der Fußmatte deponierten, aber Blumentöpfe seien auch nichts Ungewöhnliches.
    Wir traten ein. »Hallo, Udo!« rief Reinhard; es rührte sich nichts.
    »Hab' mir schon gedacht, daß ich ihr die Brille nachsenden muß«, seufzte ich und machte mich auf die Suche. Was hatte Silvia gesagt? Entweder hier oder da? Wohnzimmer, Küche, Eßzimmer, Gästeklo waren schnell inspiziert, Reinhard folgte mir nach oben. Ich hatte ein mulmiges Gefühl, als sei ich eine Einbrecherin. Wenn jetzt Udo plötzlich hereinkam?
    Im Bad lagen die Zahnspangen der Töchter. Ich umwickelte sie mit Kleenex und stopfte sie nur ungern in meine Handtasche. In den Kinderzimmern erwartete uns das übliche Chaos, hier hätte Silvia ihre Brille nicht liegengelassen. Als letztes betraten wir das Schlafzimmer.
    Udo lag friedlich schlafend im Ehebett. »Komm, wir gehen lieber«, flüsterte ich, »wir schreiben ihm einen Zettel.«
    Reinhard war wohl anderer Meinung und zog die Gardinen auf. Das grelle Licht fiel jetzt auf Udos geschlossene Augen, die sich aber keineswegs erschrocken öffneten. Ein Schauder überlief mich, als meine Hand die Kälte seiner Stirn spürte, und ich schrie auf. In meinem ganzen Leben hatte ich noch keinen Toten angefaßt.
    Gott sei Dank war ich nicht allein. Reinhard befühlte einen starren Fuß, fragte nach meinem Taschenspiegel und hielt ihn unter Udos Nase, weil er diesen Todesnachweis in einem Fernsehkrimi gesehen hatte.
    »Was machen wir jetzt?« fragte ich.
    »Soviel ich weiß, hatte er Probleme mit dem Herzen«, sagte Reinhard. »Sieh mal, sein Nachttisch ist ja die reinste Apotheke!«
    In diesem Moment hätte ich gern selbst zu Udos Tropfen gegriffen, denn mein Herz spielte verrückt. Noch vor wenigen Tagen hatte mich dieser Mann zu einem Treffen überreden wollen!
    »Wir müssen den Hausarzt rufen«, sagte Reinhard. »Weißt du zufällig, welchen Arzt sie haben?«
    Ich wußte es, denn wir hatten denselben Doktor. Am Bett stand ein Telefon. Während Reinhard telefonierte, sank ich schwer atmend auf den einzigen Sessel, wo Udos Wäsche lag. Das Ehebett meiner Freunde stand wie eine Theaterbühne vor mir. Was mochten sich hier für Dramen abgespielt haben? Auf Silvias Nachttisch entdeckte ich tatsächlich ihre Lesebrille, diverse Romane, Ohrringe, Taschentücher, ein Lavendelsäckchen. Auf Udos Ablage, die ich nur ungern anpeilte, vereinten sich Sachbücher, Sprays, Tropfen und Salben, eine Flasche mit Grapefruitsaft, ein Teelöffel, Hustenbonbons, ein Wecker, Ohrenstöpsel und ein winziges Radio zu einem einzigartigen Stilleben. Auf dem flauschigen Bettvorleger sah ich die Tageszeitung und ein sogenanntes Herrenmagazin mit aufgeklapptem Faltblatt liegen. Die dargestellte Maid kam mir allerdings so langweilig vor, daß Udo schwerlich einen Herzanfall bei ihrem Anblick bekommen haben konnte. Unpassenderweise vermißte ich meinen Skizzenblock.
    »Komm, laß uns nach unten gehen und auf den Arzt warten«, sagte Reinhard, selbst so käseweiß wie ein Toter.
    Auf der Treppe fragte ich: »Müßten wir nicht als erstes Silvia anrufen?«
    »Eins nach dem andern«, sagte Reinhard und suchte im Wohnzimmer nach Kognak. »Übrigens haben wir Glück, daß der Hausarzt an einem Sonntag überhaupt zu erreichen war! Vielleicht sollte er Silvia die Hiobsbotschaft

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