Röslein rot
Augen, für die ich unentgeltlich gearbeitet hatte. Vermutlich hatte er Birgit angesichts dieser überzogenen Ansprüche bereits gekündigt und wartete nur auf eine günstige Gelegenheit, um mich erneut einzuspannen. Ade, Küchenstilleben! Falls er nach seinem Unfall immer noch reiten lernen wollte, war das sicher teurer als der Tennisklub; und Silvias Gerede neuerdings von einer Segeljacht brachte ihn womöglich auf noch anspruchsvollere Wünsche. Das paßte alles nicht zu meinem stoffligen Mann, der sich stets über die Schickeriaszene mokiert hatte, der aus einfacher Familie stammte und bei unserem Hochzeitsmahl nicht wußte, wie man Spargel ißt.
Am Abend erschienen Silvia und Udo mit Blumenstrauß, Sektflasche und Bettlektüre zur Krankenvisite. In Pantoffeln und Schlafanzug saß der Patient vorm Fernseher und sah sich ein Fußballspiel an. Unsere Freunde gaben sich aufmunternd, Udo entschuldigte sich für seine »unmögliche Frau«, die meinen armen Mann zum Reiten gezwungen habe. Als ich in die Küche ging, um Sektgläser zu holen, folgte er mir. »Wenn sich Silvia und Reinhard im Pferdestall amüsieren, dann könnten wir beide doch zum Ausgleich. ..«
Ich unterbrach ihn sofort, denn ich konnte auf seine Anzüglichkeiten verzichten. »Aber sicher doch, Udo«, sagte ich. »Und dann fahren wir gemeinsam zu einer Talkshow, wo Paare über ihre Erfahrungen beim Partnertausch plaudern.«
Udo sah mich entsetzt an, bevor er mühsam lächelte.
In der darauffolgenden Nacht plagte mich ein Traum, den ich nie vergessen werde; wieder spielte eine Badewanne die entscheidende Rolle. Reinhard und ich waren an einem heiteren Sommersonntag mit den Kindern zum Grillen eingeladen. Anfangs tat jeder etwas anderes: Udo pinselte Öl auf Bratwürstchen und Lammkoteletts, Silvia lag faul im Liegestuhl, Reinhard bediente den Fön, um die Holzkohle schneller zum Glühen zu bringen, die Kinder spielten mit den Meerschweinen. Ich inspizierte den Garten, kroch hinter Büsche, besah mir die Geräte im Holzhäuschen und fiel plötzlich in eine Grube, die mit Jauche gefüllt war.
Mein schönes helles Sommerkleid war ruiniert, ich stank drei Meilen gegen den Wind. Kein Mitleid der anderen, nur schallendes Gelächter. »Marsch, in die Badewanne!« rief Reinhard, und ich beeilte mich, in das große sonnendurchflutete Badezimmer zu kommen.
Schließlich fühlte ich mich frisch und sauber, zog Silvias seidenen Kimono an und betrat erneut den Garten. »Hast du denn auch die Wanne geputzt?« fragte meine Freundin. Ich sah sie groß an. Hatte ich? Gemeinsam gingen wir zurück ins Bad. Die Wanne war so schmutzig, wie ich noch keine gesehen hatte.
Fleischeslust
Anders als im Traum war der nächste Sonntag ein eher angenehmer Tag; am Abend zuvor hatten Reinhard und ich nach langer Abstinenz ohne allergischen Zwischenfall miteinander geschlafen. Ich muß zugeben, daß die Initiative einzig von mir ausging. Nicht etwa ein Überschwang an alles verzeihender Liebe war mein Motiv, sondern drängendes Verlangen. Vor, während und nach den Ferien hatte ich verzichten müssen, plötzlich konnte ich es nicht mehr aushalten. Zwar reichte diese eine Liebesnacht längst nicht aus, um wochenlange Versäumnisse wettzumachen, aber es war doch der Anfang einer Normalisierung. Gern wäre ich am frühen Morgen erneut umarmt worden, aber als ich erwachte, war Reinhard bereits aufgestanden und spielte mit den Kindern das neue Lieblingsspiel. Sein Arm war wieder funktionsfähig, seine Laune ließ jedoch zu wünschen übrig. In den letzten Tagen hatte ich wiederholt eine fahrige Nervosität an ihm beobachtet, was ich mit dem Fehlen eines dringend nötigen Erholungsurlaubs entschuldigte.
Es bleibt mir doch gar nichts anderes übrig, als mich mit meinem Mann zu vertragen, betete ich mir vor und erinnerte mich an Ellens Ratschläge. Falls unsere Ehe nicht wieder besser wurde, sah ich eigentlich nur die Scheidung als Alternative - waren meine Gründe für einen solchen Schritt schwerwiegend genug? Wo sollte ich mit den Kindern hingehen? Verdiente Reinhard genug, um zwei Haushalte zu finanzieren? Vor allem Lara und Jost würden unendlich leiden; wie lustig hörte ich sie gerade über ihren Papa lachen. Und ich müßte einsam und allein in diesem engen Vogelbauer alt werden. Unsere Differenzen sind teilweise meine Schuld, sagte ich mir, ich bin eifersüchtig und neurotisch, er dagegen ist ein normaler Mann in seiner mimosenhaften Eitelkeit. Die Sache mit Imke, die ich
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