Rohypnol - Hutchinson, A: Rohypnol - Rohypnol
ihre Heimkehr wartet und jeden Wagen checkt, der die Straße entlangkommt? Dann kommst du angefahren, und er kann dein Auto erkennen und die Nummer aufschreiben. Dann bist du am Arsch.
Egal was ist, sie muss weg sein, bevor die Sonne aufgeht.
Regel Nummer sieben: »Kein Kontakt.« Niemals hinterher Kontakt mit der Zielperson aufnehmen. Keine Anrufe, keine SMS. Wenn du merkst, dass sie einen Laden betritt, gehst du, und wenn sie dir auf der Straße begegnet, weichst du ihr aus. Stell dir das Déjà-vu vor, wenn sie sich vage an dein Gesicht erinnert, es aber nicht einordnen kann. Die ganze Nummer läuft nur eine Nacht. Danach nie wieder.
Regel Nummer acht: »Nicht Reden.« Du quatschst mit niemandem über deine Aktivitäten. Fünf Leute wissen davon. Mehr nicht. Punkt. Es wird immer Gerüchte und Spekulationen geben. Wir bestätigen oder dementieren nichts. Was in einer Nacht geschieht, bleibt ein Geheimnis. Du redest nie wieder darüber.
I ch weiß nicht genau, wie Harris’ Eltern reich geworden sind. Was ich aber weiß, ist, dass sie gerne Western gucken. Einmal mussten Thorley und ich zu Harris nach Hause, weil Thorley meinte, wir bräuchten Kohle. Ich fragte ihn: »Hast du kein Geld?« Doch er gab keine Antwort. Lächelte nur.
Harris öffnet vorsichtig die Tür und guckt zu uns heraus.
»Was gibt’s, Jungs?«, fragt er zaghaft.
»Wir kommen kurz rein«, erwidert Thorley, schiebt ihn beiseite und geht ins Haus.
Das vordere Zimmer ist riesig und strahlend weiß, mit hohen Decken, glänzenden Fliesen und sorgsam gepflegtem grauen Teppichboden. An den Wänden hängen gerahmte Filmplakate von Clint Eastwood und John Wayne. Thorley geht voraus durch das vordere Wohnzimmer, durch die Küche; er ignoriert alles um ihn herum und stürmt durch einen dunklen Flur eine Treppe hinunter. Harris trottet schweigend hinter uns her.
»Das musst du gesehen haben«, sagt Thorley zu mir und grinst. Er packt die Griffe einer ausladenden,
aus Holz gearbeiteten Doppeltür und stößt sie theatralisch auf. Hinter der Doppeltür verbirgt sich eine Miniatur-Westernstadt. Der gesamte Hof wird von dieser Spielzeugstadt für Möchtegerncowboys eingenommen. Echte Häuschen, die man richtig betreten und benutzen kann. Die Szenerie wird von einem Saloon dominiert, der sich an einem riesigen, eingelassenen Pool erhebt. Der Boden ringsum ist trocken und staubig, eine Straße führt an einem Krämerladen, dem Gefängnis und zwei Hotels vorbei (das Bordellschild ist übermalt und neu beschriftet worden).
Thorley führt mich herum, Harris, die Hände in den Hosentaschen, folgt uns und kickt mürrisch im Staub herum. Thorley zeigt mir den Stall, es gibt Sättel, aber keine Pferde. Die Holzwerkstatt, in der halb fertige Kutschenräder liegen. Thorley nimmt eine Flasche vom Regal hinter der Bar im Saloon und schüttet den Inhalt auf den hölzernen Dielenboden.
»Erzähl ihm das mit den Flaschen«, fordert er Harris auf, der mit gesenktem Kopf antwortet.
»Da war mal Alkohol drin, aber dann haben sie Wasser reingefüllt«, sagt er tonlos.
»Und was soll die ganze Scheiße?«, frage ich.
»Früher habe ich gerne Cowboy gespielt, also hat mein Dad mir eine Westernstadt gekauft. Er liebt Western.« Harris reibt sich den Nacken. »Meine Eltern laden Freunde ein, und dann gucken sie sich auf einer
Leinwand über dem Pool Filme an – Pale Rider und The Wild Bunch und so’n Scheiß. Sie haben einen Projektor und das ganze Zeugs.«
Durch das Saloonfenster erkenne ich eine Reifenschaukel, die am Ende der Straße von der Flaschenzughalterung baumelt.
»Harris hasst das alles«, sagt Thorley und hebt eine leere Patronenhülse auf.
»Warum?«
»Weil es scheißpeinlich ist. Weil ich als Kind in einer Wildweststadt gespielt habe. Jedes Mal wenn jemand herkommt, muss ich den ganzen Scheiß hier erklären.«
»Halt dein verdammtes Maul, Harris.« Thorley wirft die Patrone nach ihm, die von seinem T-Shirt abprallt und über den Boden rollt. »Wir sind hier, weil wir Kohle brauchen«, erklärt ihm Thorley. »Besorg uns welche.«
»Wozu?«
»Zum Verballern. Los mach schon, geh die Kohle holen.« Thorley wirkt angepisst und macht einen Schritt auf Harris zu.
»Harrison?« Eine Frau ruft von draußen und durchbricht die Stille auf der Main Street.
»Ja, Ma.«
Thorley geht zum Pooltisch, der neben der Treppe steht. Das Geländer ist geborsten. Vielleicht von einer Kneipenschlägerei. Ein Schlagzeug und ein ausgestöpselter
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