Rohypnol - Hutchinson, A: Rohypnol - Rohypnol
mit dem »Zutritt verboten«-Schild an der Tür. Das Blut. Ich schloss meine Augen. Fest. Versuchte das Bild aus meinem Kopf zu verbannen.
»Van Graas hat seit geraumer Zeit anabole Steroide zur Unterstützung seines Muskelaufbaus benutzt, wobei er die Dosis beständig erhöht hat, ohne einen Arzt zu konsultieren. Van Graas verbringt regelmäßig dreizehn Stunden pro Woche im Fitnessstudio beziehungsweise trainiert zu Hause mit Gewichten. Die Aussage eines Freundes von Van Graas lautet wie folgt: ›Manchmal habe ich ihn angeschaut und mir gedacht: Alter, du treibst es zu weit, da seine Armmuskeln so groß waren wie anderer Leute Köpfe. Wenn er dir eine gelangt hat, konntest du einpacken.‹ Ein Personal Trainer, der mit Van Graas trainiert hat, beschrieb ihn als ›Riesen, mit dem sich keiner anlegen wollte‹.
Van Graas sagt aus, er habe bereits früher anabolikabedingte Aggressionsschübe gehabt, und dass er sich nicht unter Kontrolle habe, wenn diese Schübe einsetzten. Anabolikabedingte Aggressionsschübe sind ein medizinisch dokumentierter Nebeneffekt des Anabolikamissbrauchs, obwohl kein direkter Zusammenhang nachgewiesen werden konnte.
Der Pathologe gab zu Protokoll, dass Bollen ein schweres Schädeltrauma erlitten hätte, wobei Knochenfragmente in das Gehirn eingedrungen seien und ihren Tod verursacht hätten.«
Nachdem die letzten Worte verklungen waren, hörte ich, wie jemand weinte. Es hallte von den Wänden des ansonsten totenstillen Gerichtssaals wider. Die ineinander verkrallten Finger verkrampften sich und zitterten.
W as hast du gefühlt, als du Aprils Leiche gesehen hast?«, fragt Dr. Jessica Snowden. »Wie hast du dich da gefühlt?«
»Was wollen Sie, dass ich sage?«
»Nur das, was du gefühlt hast.«
»Ich dachte, was für eine Schande«, erzähle ich ihr. Dr. Jessica Snowden sitzt – den Stift in der Hand – abwartend da, direkt vor mir. Ihre Füße zeigen in meine Richtung. »Eine Schande, dass ich nie Gelegenheit hatte, sie zu ficken.«
Dr. Jess atmet tief durch und beginnt sich Notizen zu machen. Soweit ich Dr. Jessica Snowden kenne, weiß sie, dass ich solche Sachen nur sage, um ihre Reaktion zu testen und sie zu schocken. Sie weiß, dass ich das alles nur sage, um sie zu testen, um herauszufinden, ob sie es mir zurückzahlen kann.
»Das ist nicht recht, nicht wahr?«, frage ich.
»Es geht nicht um Recht oder Unrecht«, sagt sie emotionslos, ohne von ihrem Block aufzuschauen, »sondern darum, was du fühlst, und darauf hast du keinen Einfluss.«
Dr. Jess weiß, was ich mache, sie kennt das alles. Clevere Teenager und harte Burschen. Jugendliche Straftäter, denen alles scheißegal ist. Dr. Jess hat schon Schlimmeres gesehen. Sie hört auf zu schreiben, schlägt die Beine übereinander. Wippt mit dem Fuß in der Luft.
In meinem Kopf läuft alles von vorn ab. Ich kann mich an jedes noch so winzige Detail erinnern. Wie Troy auf dem Gehweg sitzt und seine Knie umklammert, als Thorley und ich in jener Nacht eintreffen. Die dunklen Flecken auf seiner Hose unterhalb der Knie, als hätte er bei Ebbe geangelt. Ich wusste, dass es Blut war, doch in der Dunkelheit konnte ich so tun, als wäre es etwas anderes.
An der Tür zu Troys Zimmer hing ein altes Plastikschild, das seine Eltern ihm wahrscheinlich zu Weihnachten geschenkt hatten, als er noch ein Kind war. »Troys Zimmer« stand darauf und darunter hatte jemand mit Filzstift »Zutritt verboten« geschrieben, und jemand hatte versucht es wieder abzuwischen. Troy öffnete vorsichtig und leise die Tür, als würde drinnen jemand schlafen. Er spähte links und rechts ins Zimmer und machte dann Platz.
»Haben Sie schon mal einen Toten gesehen?«, frage ich Dr. Jessica Snowden. Sie schaut auf, emotionslos, gelangweilt. Sie hat das alles schon mal gehört. Ich beuge mich zu ihr vor, damit ich ganz nah an ihr Gesicht komme.
»Einen Toten zu sehen«, erkläre ich ihr, »zu sehen, wo einmal Leben war und jetzt nur noch unnützes Fleisch ist, ist etwas anderes, als darüber zu lesen. Es ist auch nicht wie im Fernsehen. Man kann sich das nicht vorstellen, man kann das auch nicht mit etwas anderem vergleichen. Man sieht sich selbst in der Leiche. Man spürt, wie verletzlich man ist. Ich erinnere mich, dass ihr Kinn noch da war, wo es sein sollte, aber der Rest ihres Gesichts war es nicht. Der Kopf war eingedrückt, zerquetscht. Zerschmetterte Knochen und Blut.«
Ich sage zu Dr. Jessica Snowden: »Stell dir vor, du machst deinen letzten
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