Rolf Torring 054 ~ Die Indianer Südamerikas
war zu sehen, und ich glaubte, fest annehmen zu können, daß dieser unheimliche Platz nachts von den Dorfbewohnern streng gemieden wurde.
Ich kroch auf die Lichtung hinaus und blieb lauschend hinter dem nächsten Steinhaufen, der die Überreste eines Indianers deckte, liegen. Dann fiel mir aber ein, daß der Häuptling bestimmt nochmals Späher nach mir aussenden würde. Jetzt hatte ich ja die beste Gelegenheit, die enge Röhre, die ich mir durch das Dickicht geschnitten hatte, zu maskieren. Schnell kroch ich zurück. Als ich den Pfad erreichte, von dem aus ich den Gang geschnitten hatte, sah ich gleich, wie gut meine Umkehr gewesen war.
Auch der Pfad war vom Mondlicht erhellt, und jeder Indianer, der vorbeikam, hätte die Spuren, die ich hinterlassen hatte, unbedingt sehen müssen. Denn ich hatte vorher mit den Füßen viele abgeschnittene Zweige auf den Pfad hinausgeschoben.
Jetzt brachte ich das Loch sorgsam in Ordnung und fügte die Zweige so ein, daß selbst ein aufmerksamer Beobachter bei Tage kaum etwas bemerkt hätte. Kaum war ich damit fertig und wollte mich rückwärts auf die Lichtung schieben, als ich wiederum die Schritte mehrerer Leute verspürte.
Sofort blieb ich völlig reglos liegen. Durch eine ganz schmale Lücke zwischen den Zweigen konnte ich ein Stück des Pfades überblicken. Und da sah ich nach wenigen Augenblicken vier Indianer vorbei schleichen, die aufmerksam herumspähten.
Zu meiner großen Erleichterung gingen sie aber an meinem Platz vorüber, ohne etwas zu bemerken. Ich wartete noch einige Minuten, dann schob ich mich leise auf den Begräbnisplatz zurück.
Nach Nordwesten hin lag das Dorf. Ich wählte meinen Weg mitten zwischen den Steinhügeln hindurch, denn es konnte ja immerhin sein, daß sich doch Wächter am Rand der Lichtung aufhielten, wenn sie auch die Gräber selbst mieden.
Als ich mich durch die stattliche Reihe der Steinhügel hindurchgeschlängelt hatte, erblickte ich tatsächlich am nordöstlichen Rand der Lichtung eine schmale Lücke im Dickicht. Dort mußte sich der Pfad zum Dorf befinden.
Nochmals lauschte ich aufmerksam rings umher, hob auch hinter dem letzten Steinhügel liegend, vorsichtig den Kopf und blickte nach allen Seiten. Als ich nichts Verdächtiges bemerkte, kroch ich schnell über das schmale Stück der Lichtung, das mich von dem dunklen Einschnitt im Dickicht trennte. Es war wirklich der Anfang eines Pfades, auf den ich stieß. Ich hütete mich sehr, aufzustehen, und kroch den schmalen, gewundenen Weg auf Händen und Füßen entlang.
Wie ich ganz richtig vermutet hatte, zeigte sich kein Mensch. Diese Begräbnisstätte scheuten die Indianer — besonders in der Dunkelheit — derartig, daß sie trotz der gegenwärtigen Lage keine Wachen ausgestellt hatten. Nach wenigen Minuten hatte ich das Ende des Pfades erreicht.
Ich konnte nun die weite Lichtung überblicken, auf der das Indianerdorf lag, überall brannten helle Feuer, und es herrschte ein so lebhaftes Treiben, wie wohl nie um diese Zeit.
Die Ursache konnte nur in der Gefangennahme Rolfs und Pongos liegen! vielleicht auch darin, daß ich von den verschiedenen Spähern bisher nicht gefunden wurde.
Für mich persönlich kam es nach wie vor darauf an, nicht entdeckt zu werden, den Aufenthalt Rolfs und Pongos aber zu erkunden, um sie befreien zu können.
Ich vermutete, daß sie sich bei oder in der großen Hütte befinden würden, in deren Nähe die großen Feuer brannten und die so stark bewacht wurde.
Dorthin mußte ich unbedingt gelangen, und zu diesem Zweck war es unumgänglich, daß ich das Dorf durchquerte. Lange Minuten lag ich am Rand der Lichtung und beobachtete das Dorf. Dann kroch ich langsam nach rechts um die nächsten Hütten herum, mich stets im undurchdringlichen Wall des Dickichts haltend.
4. Kapitel. Pongo der Held.
Ich gelangte bald an eine Stelle, von der aus ich zwischen mehreren Hütten hindurch, den Platz übersehen konnte, auf dem die hell beleuchtete, streng bewachte Hütte stand, vor deren Eingang sich eine Gruppe Indianer versammelt hatte. Es waren durchweg ältere Männer, in ihrer Mitte stand die hohe Gestalt des Häuptlings.
Jetzt kamen von allen Seiten Trupps von je zwei und drei Indianern heran, die dem Häuptling eine Meldung machten. Das stolze, finstere Gesicht des großen Indianers wurde immer zorniger, und als auch der letzte Trupp seine
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