Rolf Torring 067 - Der Fakir
ein heiliger Fakir aufgetaucht sein, der die seltsamsten Künste vollbringt," berichtete der Sergeant. „Wenn ich mir erlauben darf, möchte ich den Herren empfehlen, sich den Mann anzusehen."
„Ein heiliger Fakir?" meinte Rolf nachdenklich. „Wissen Sie, wann er zum ersten Male hier aufgetaucht ist?"
„Vor ungefähr zwei Monaten, Herr Torring!"
„Dann muß ich mir den Mann unbedingt ansehen," sagte Rolf lebhaft. „Aber erst muß ich noch dem Polizeichef eine Botschaft senden. Dort kommt ja ein Polizist! Vielleicht kann er Herrn Roberts einen Brief überbringen."
Auch der Polizist war, wie sich glücklicherweise erwies, zu unserem Empfang nach dem Bahnhof kommandiert gewesen. Rolf schrieb ein paar Zeilen für den Polizeichef auf. Der Polizist versicherte, daß er die Meldung schnellstens besorgen würde.
„Wollen Sie uns bitte führen!" wandte sich Rolf wieder an den Sergeanten. „Wissen Sie, ob der Fakir in der Nähe der Schlucht, die drei Kilometer entfernt sein soll, haust?"
„Nein, Herr Torring, der Platz, auf dem er seine Vorführungen macht, liegt näher. Gefolgt ist ihm noch niemand. Am Schlusse seiner Vorführungen verschwand er stets spurlos."
„Dann werde ich besonders aufpassen," sagte Rolf. "Ist der Heilige jeden Tag dort zu finden?"
„Nein, stets taucht plötzlich das Gerücht in der Stadt auf, daß er eine Vorstellung gibt. Dann eilen die Leute, die ihn sehen wollen, hin."
„Da haben wir ja Glück!" meinte Rolf zufrieden. "Wenn ich mich nicht sehr irre, werden wir eine sonderbare Lösung der rätselhaften Vergiftungsfälle finden."
Mit schnellen Schritten gingen sie den zahlreichen Neugierigen, die auf das Gerücht vom Wiederauftauchen des Fakirs aus der Stadt geeilt waren und schon einen ziemlichen Vorsprung hatten, nach. Der Haufen verschwand gerade hinter einer Biegung des Weges. Das war uns recht angenehm, denn mit Maha wären wir zu sehr aufgefallen.
„Achten Sie bitte auch auf die Spuren dieses Wagens," sagte Rolf zu dem Sergeanten, als wir an einer feuchten Stelle die Reifenabdrücke wiederfanden. "In ihm sind die erkrankten Offiziere und der Sohn des Obersten fortgeschleppt worden."
Bald kamen wir in den Urwald. Die Straße hatten die Engländer tadellos angelegt. Dadurch konnten wir leider keine Reifen abdrücke mehr feststellen.
Nach wenigen hundert Metern stießen wir an einen Kreuzungspunkt von drei Straßen. Hier konnte der Wagen mit den Vergifteten eine neue Richtung eingeschlagen haben.
Der Sergeant führte uns die Straße entlang, die gerade nach Norden führte. Nach etwa zweihundert Metern bog er von der Fahrstraße ab und deutete auf einen schmalen, fest ausgetretenen Urwaldpfad.
„Der Pfad führt auf eine Lichtung," erklärte er. "Dort zeigt der Fakir seine tollen Künste."
„Wohin führt die Straße?" fragte Rolf.
„Sie läuft in großem Bogen auf die Hauptstraße nach Madras," erklärte der Sergeant.
„Führt sie in der Nähe des großen Tales vorbei?" forschte Rolf gespannt. „Der Oberst erwähnte es."
„Ganz recht, Herr Torring, die Straße führt etwa hundert Meter am Tal vorbei."
„Das ist gut!" rief Rolf. „Es kann leicht sein, daß wir heute noch Erfolg haben. Halten Sie sich bitte in unserer Nähe, Sergeant, vielleicht werde ich Sie bitten müssen, eine wichtige Nachricht nach Bangalore zu bringen."
„Jawohl, Herr Torring!"
Wir schritten den schmalen Pfad in den Wald hinein. Ungefähr fünf Minuten später hörten wir schon undeutliches Gemurmel. Bald kamen wir auf die große Lichtung, auf der mindestens achtzig Menschen einen dichten Kreis bildeten.
Wir drängten uns zwischen einige Soldaten, die uns sofort bereitwillig Platz machten.
In der Mitte des Platzes hockte ein Inder mit langem, silbernem Bart. Unbeweglich starrte er auf einen kleinen Hügel Erde, deckte dann mit schneller Bewegung ein weißes Tuch darüber und bewegte die Hände in eigenartigen Linien hin und her.
Langsam hob sich das Tuch. Es wurde von einer Pflanze hochgehoben, die schnell größer und größer wurde. Nach wenigen Minuten war aus dem Erdhäufchen ein Baum mit Blüten gewachsen, die schnell abfielen, um reifenden Früchten Platz zu machen.
„Der Mangozauber!" flüsterte Rolf. „Es soll sich dabei um Massensuggestion handeln!"
„Wie wohl alle Kunststücke, die der Fakir vorführen wird,"
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