Rolf Torring 077 - Schrecken der Sunderbans
Da man sich in den Tropennächten sehr gern auf den offenen Veranden, die die meisten Bungalows umziehen, aufhält, ist man gerade dort überraschenden Angriffen ausgesetzt.
Hier war der freie Platz um den Bungalow sehr breit. Inspektor Black deutete Rolfs forschenden Blick sofort richtig und sagte:
„Ich habe den Raum mit Absicht stets so breit gehalten. Man ist sonst zu leicht Attentaten ausgesetzt, wenn es einem Feinde gelingt, im Schutze der Büsche heranzuschleichen. Als Polizei-Inspektor habe ich eine ganze Menge Feinde. Aber die Vorsichtsmaßregel hat mir nichts genützt," setzte er traurig hinzu, „der Erpresserbande ist es eben doch gelungen, mir Frau und Tochter zu rauben."
„Wir wollen sofort in Ihr Arbeitszimmer gehen," schlug Rolf vor. „Ich empfehle Ihnen aber, vor das Fenster einen zuverlässigen Posten zu stellen, damit wir vor unliebsamen Überraschungen sicher sind. Dann müssen Sie uns genau erzählen, wie die Entführung Ihrer Angehörigen möglich war."
Black öffnete die nächste Tür in dem breiten Flur, der den Bungalow teilte. Zwei Polizisten hielten sich in dem kleinen Zimmer auf und sprangen beim Eintreten des Inspektors empor.
„Ein Inder schlich um das Haus," meldete der eine dem Inspektor. „Er verschwand sehr schnell. Auf Anruf blieb er nicht stehen. Anscheinend ist er aus dem Hibiskusstrauch dort drüben gekommen. Mein Kollege Joerny durchsucht gerade den Garten, aber ich glaube nicht, daß er den Eindringling noch entdecken wird."
„Unangenehm," meinte der Inspektor, „da können wir uns ja noch auf Verschiedenes gefaßt machen. Ich möchte wetten, daß der Inder ein Attentat vorbereitet hat. Aber beweisen müßte man es ihm können!"
„Es ist anzunehmen," stimmte Rolf bei, „daß der Inder hier war, um etwas vorzubereiten, das Ihnen und vielleicht auch uns schaden soll." Rolf fragte den Polizisten: „Wandte sich der Inder der Hausseite zu, auf die das Fenster des Arbeitszimmers des Inspektors führt?"
„Jawohl, Herr."
»Dann müssen wir uns in acht nehmen, wenn wir den Raum betreten," meinte Rolf. „Am besten blicken wir erst durchs Fenster, ob wir etwas Auffälliges bemerken. "
„Er kann in der kurzen Zeit nicht viel vorbereitet haben," sagte Black. „Immerhin konnte er schnell eine Giftschlange ins Zimmer werfen. Sie haben recht, Herr Torring, wir wollen vorsichtig sein. Kommen Sie mit zum Fenster, meine Herren!"
Wir verließen den Bungalow und gingen zur rechten Seite des Hauses. Aufmerksam beobachteten wir die nächsten Büsche, die gut dreißig Meter entfernt waren. Für einen versteckten Schützen wäre es leicht gewesen, aus dem Hinterhalt auf uns zu schießen.
Als in einem dichten Busch Bewegung entstand, rissen wir unsere Pistolen heraus, steckten sie aber zurück, als ein englischer Polizist langsam aus dem Busch heraustrat. Er hielt die Pistole in der Hand und drehte uns den Rücken zu, aufmerksam betrachtete er den Busch, den er soeben verlassen hatte.
„Hallo, Joerny," rief Black, „was haben Sie?"
Der Polizist antwortete nicht, sondern machte eine abwehrende Handbewegung. Offenbar hatte er eine wichtige Entdeckung gemacht. Ich wandte mich zu Rolf, um ihm etwas zuzuflüstern. Da sah ich, daß mein Freund den Polizisten merkwürdig scharf anblickte und langsam die Hand an die rechte Pistole legte.
„Kommen Sie, meine Herren! Wir wollen leise hingehen!" flüsterte der Inspektor. „Sicher hat Joerny etwas Wichtiges entdeckt. Er ist ein zuverlässiger, tüchtiger Beamter."
Black war uns einen Schritt voraus. Ich beobachtete Rolf, der — als wir dem Polizisten auf ungefähr zehn Meter nahegekommen waren — die Pistole aus dem Gürtel zog. Was er beabsichtigte, wußte ich nicht, aber ich ahnte die Nähe einer Gefahr, denn ich kannte seine Gesichtszüge in solchen Augenblicken.
Für alle Fälle zog auch ich die Pistole und entsicherte sie. Ich vermutete, daß Rolf etwas Verdächtiges in dem Gebüsch, vor dem der Polizist stand, entdeckt hatte.
Inspektor Black war noch fünf Meter hinter dem Polizisten und rief leise:
»Joerny, was haben Sie?"
Da schnellte der Polizist herum, ich sah ein dunkles Gesicht unter der weißen Mütze, sah die rechte Hand des Mannes emporzucken — da krachte Rolfs Pistole. Fast gleichzeitig schoß der Polizist, aber er hatte schon den Arm schmerzhaft nach unten gebogen, als die Kugel den Lauf
Weitere Kostenlose Bücher