Rolf Torring 104 - Zum Tode verurteilt
„Und die Insel?" wiederholte Rolf seine Frage. „Die Tiger und die Krokodile?"
„Die Insel brauchte ich, um junge Mädchen hierher bringen zu lassen. Drei Vertraute liefern mir die 'Ware' an. Zuerst brachte ich den See in Verruf; das gelang leicht durch die Krokodile. Ich kann sie einsperren und wieder in den See lassen, wie es mir gefällt und wie ich es brauche. Dann pachte ich die Insel und ließ mir das Haus hier bauen, das seine Eigentümlichkeiten hat. Um vor nächtlichen Besuchern geschützt zu sein, brachte ich meine Tiger mit."
„Sie sind einmal beobachtet worden, Herr Labuta, als Sie nachts Besuch erhielten. Die Leute verschwanden am Ufer im Wasser und sind nicht wieder aufgetaucht. Wie konnte das geschehen?"
„Mein Geheimnis, das ich Ihnen nie verrate!" lachte der Malaie.
„Und morgen früh also wollen Sie uns töten? Sie ganz allein uns beide?"
„Zerbrechen Sie sich mal nicht den Kopf über meine Angelegenheiten! Wenn es Sie aber beruhigt, will ich Ihnen verraten, daß ich dazu meine Leute habe. Sie werden gleich hinter dem Hause auf einer Lichtung aufgehängt. Da haben Sie sogar in den letzten Sekunden Ihres Lebens eine hübsche Aussicht!"
Will man es mir verdenken, daß ich dem Malaien am liebsten die Faust ins Gesicht geschlagen hätte? Nur die Tiger hielten mich davon zurück.
Rolf sagte nichts mehr. Er schien sich in sein Schicksal ergeben zu haben.
Plötzlich stand Labuta auf und drückte auf einen Knopf in der Schreibtischplatte, der unserer Aufmerksamkeit entgangen war. Da öffnete sich in einer Wand des Zimmers eine verborgene Tür, durch die zwei Malaien den Raum betraten — einer von ihnen war Tinna!
Rolf lachte kurz auf, als er ihn sah, und sagte zu mir:
„Wenn Labuta mehr solche Leute um sich hat wie den angeblichen Geheimpolizisten Tinna, wird die Polizei bald Herrn Labuta haben. Wir wußten ja schon in Palembang, daß Tinna auf die Seite der Gegner gehört."
„Was?!" schrie Labuta auf. „Tinna hat sich verraten?! Sie wußten, daß er mein Gefolgsmann ist?"
„Allerdings! Deshalb verließen wir Palembang so schnell. Mit einem Ihrer Verbündeten wollten wir nicht zusammenarbeiten!"
Zornfunkelnd blickte Labuta auf Tinna. Der „Geheimpolizist" wollte etwas zu seiner Entschuldigung vorbringen, aber der Herr der Insel fuhr ihn an:
„Wir rechnen später ab, Tinna! Ich habe dir oft gesagt, daß du zu leichtsinnig arbeitest! Wenn die Herren dich durchschaut haben, wird es nicht lange dauern, bis der Kommissar ebenfalls dahintergekommen ist."
Tinna warf uns böse Blicke zu. Labuta befahl, uns Fesseln anzulegen. Tinna tat es mit einer Lust, daß er uns bald die Haut durchschnitten hätte.
3. Kapitel Unsere Hinrichtung
Obwohl wir wenig später allein in Labutas Arbeitszimmer saßen, war vorläufig an eine Flucht nicht zu denken, denn die beiden Tiger bewachten uns. So blieb unsere einzige Hoffnung Pongo. Würde es ihm gelingen, uns hier herauszuholen? Er hatte ja oft schon tolle Sachen zustande gebracht!
Stunde um Stunde verging, und der Morgen konnte nicht mehr fern sein. Da Labuta uns die Taschenlampen abgenommen hatte, saßen wir im Dunkeln. Rolf hatte mich gleich zu Anfang gebeten, keine Fragen zu stellen. So schwiegen wir und sannen auf einen Ausweg, der aber weder Rolf noch mir einfallen wollte.
Wo mochte Pongo jetzt sein? Hatten ihn unsere Gegner vielleicht auch gefangen? Bei dem Gedanken stieg mir das Blut siedendheiß in den Kopf, ich konnte nicht mehr an mich halten, sondern mußte Rolf leise nach seiner Ansicht fragen.
„Labuta vermutet Pongo auf unserer Jacht, er hat ihn bei unserer Landung nicht bemerkt. Ich nehme an, daß Labuta sich, wenn das Urteil an uns vollstreckt ist, in den Besitz unserer Jacht setzen will. Im Augenblick kann Pongo hier nicht eingreifen, daran hindern ihn die Tiger. Ich hoffe, daß der Morgen eine Änderung unserer Lage bringt."
„Glaubst du an das Zwergenvolk auf Sumatra, Rolf?"
„Ich habe schon davon gehört und möchte am liebsten selbst einmal nach ihm suchen."
„Wenn wir erst frei sind, Rolf, warum nicht?! Ich bin gern dabei."
Nach kurzer Dämmerung wurde es plötzlich hell im Zimmer. Wir konnten alles sehen und schauten zuerst auf die Tiger. Sie lagen noch zu unseren Füßen und schienen zu schlafen.
Bald wurde die Tür geöffnet, Labuta betrat das
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