Rolf Torring 110 - Der Herr von Pomaran
zu fragen.
„Das kann ich Ihnen heute noch nicht genau sagen," meinte Chikra. „Vielleicht sechs Monate, vielleicht etwas länger."
„Eine lange Zeit!" meinte ich gedehnt. „Wo befindet sich denn mein Freund mit seinem Begleiter?" fragte ich dann schnell.
„Die beiden Herren waren beide sehr neugierig. Sie befinden sich deshalb in sehr angenehmer Gesellschaft," klang es ironisch aus dem Munde Chikras zurück. „Wenn Sie mir Ihr Ehrenwort nicht geben wollen, bringe ich Sie auch dorthin."
Eine Pause trat ein. Dann wandte sich der „Herr von Pomaran" an meine Mitgefangenen. Ehe sie antworten konnten, schaltete ich etwas diktatorisch ein:
„Die Herren hier richten sich nach meinen Entschlüssen. Verhandeln Sie deshalb nur mit mir!"
Chikra war aufgesprungen, ein gewisser Zorn hatte ihn gepackt, als er, das Gespräch abschließend, wiederholte:
„Geben Sie mir das verlangte Ehrenwort! Sonst werden Sie es bitter bereuen! Ich frage morgen abend noch einmal nach, wenn Sie die 'angenehme' Gesellschaft' kennen gelernt haben. Vielleicht ist Ihr Starrsinn bis dahin geschwunden."
Chikra verließ den Raum. Die beiden Inder Sindo und Trolla kamen wieder herein und trugen uns einzeln nacheinander fort. Durch mehrere Felsengänge ging es bis in eine Höhle, in der Rolf und Balling lagen. Obwohl sie auch schwer gefesselt waren, freute ich mich, mit ihnen wieder zusammen zu sein. Die Wände der Höhle waren kahl. In der Mitte des Raumes stand auf dem Boden eine Wachskerze, die schwaches, ungewisses Licht verbreitete.
Rolf hatte mich nur mit den Augen begrüßt. Seine Augen blickten traurig drein. Sollte unsere Lage hoffnungslos sein? Den Eindruck hatte ich nicht gehabt, als der „Herr von Pomaran" zu uns sprach.
3. Kapitel In der Höhle der Skorpione
Als alle Kameraden in der Höhle lagen, kam der kleine Professor wieder, lächelte Rolf an und fragte:
„Haben Sie sich mein Angebot inzwischen überlegt, Herr Torring?"
„Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, Herr Professor, daß wir uns durch Augenschein davon überzeugen wollen, daß Sie auf dieser Insel nichts Ungesetzliches treiben."
„Dann wünsche ich Ihnen für die nächsten Stunden viel Vergnügen, meine Herren. Wenn das Licht herunter gebrannt ist, wird der ,Tanz' losgehen. Ich schaue morgen abend wieder nach Ihnen."
Chikra verließ uns und schloß den Eingang der Höhle mit einem Teppich. Eine Frage, die ich schon auf den Lippen hatte, lehnte Rolf ab, ehe ich sie ausgesprochen hatte, indem er nach dem Teppich wies, hinter dem sicher der Professor noch lauschend stand. Wir schwiegen, mindestens eine Stunde lang. Ich ließ die Augen durch die Höhle wandern und machte eine recht eigenartige Entdeckung. In Bodennähe der Seitenwände waren lauter kleine Löcher. Als Rolf sah, daß ich auf die kleinen Löcher blickte, sagte er leise:
„Wir befinden uns in einer bösen Falle, Hans. Wir sind in einer Skorpionenhöhle. Wenn das Licht herunter gebrannt ist, werden die Tierchen aus den kleinen Löchern herauskommen, um uns zu belästigen. Ich rechne, daß das Licht noch eine Stunde brennt. Bis dahin müssen wir einen Ausweg gefunden haben."
Kapitän Hoffmann begehrte auf, daß er ein ernsthaftes Wort mit dem «Herrn von Pomaran" reden wolle. Rolf lachte leise:
»Erst müssen wir frei sein, Kapitän"
Pongo hatte sich inzwischen an Rolfs Rücken heran gewälzt und begann, mit den Zähnen seines kräftigen Gebisses zu versuchen, Rolfs Fesseln zu lockern. Ich berichtete Rolf, wie wir überwältigt worden waren, und fragte ihn, wie er und Balling so schnell verschwinden konnten.
»Wir sind in eine Tigerfalle geraten, Hans. Wir bemerkten sie erst, als wir drin saßen. Der Professor verlangte unsere Waffen, wenn er uns herausholen lassen sollte."
»Was mag er hier auf der Insel treiben, Rolf?"
»Pongo mit Zähnen Fesseln nicht lockern können," sagte in dem Augenblick unser schwarzer Freund. „Andere Art versuchen."
Welche andere Art Pongo versuchen wollte, wußte ich nicht, ich wollte auch nicht fragen. Eigene Versuche, die ich an Hoffmanns Fesseln — der Kapitän lag mir am nächsten — ausprobierte, schlugen ebenfalls fehl. Die Zeit verging, das Licht war fast herunter gebrannt. John, William und Fritz Hagenau hielten sich tapfer und sagten kein Wort, und sie hätten berechtigten Grund gehabt, sich zu
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