Rolf Torring 110 - Der Herr von Pomaran
Erst nach einer ganzen Weile hob er den Kopf und sagte:
„Die Berichte interessieren mich. Was meinst du, Hans, wollen wir den kleinen Abstecher machen und auf der Insel landen? Daß dort der Tod persönlich spazieren geht, glaube ich natürlich nicht. Aber etwas stimmt da nicht! Das ist meine feste Überzeugung. Den von Samarinda aus geplanten Landausflug können wir später immer noch machen."
Da wir kein festes Ziel außer dem Plan, Samarinda anzusteuern, hatten und es uns infolge unserer noch immer gut gefüllten Reisekasse erlauben konnten, den Weg zu wählen, wie er uns gefiel, stimmte ich Rolf begeistert zu und fragte Hoffmann, ob er mit von der Partie wäre. Unser Kapitän schob die Schirmmütze etwas in die Stirn und kratzte sich den Hinterkopf, dann meinte er zögernd:
„Na ja, ich werde mitkommen, meine Herren, aber wir müssen vorher Samarinda anlaufen, um unsere Küche mit den notwendigsten Lebensmitteln aufzufüllen. Vielleicht erfahren, ich hoffe es, Sie dann dort, daß alle die Erzählungen Schwindel sind, so daß wir die Inseln ganz umsonst besucht hätten."
Jetzt mußte Rolf doch lachen. So ängstlich und wiederum so darauf bedacht, uns die Ängstlichkeit nicht merken zu lassen, aber gerade dadurch sich verratend, kannten wir unseren Kapitän gar nicht.
„Hinter der Spukgeschichte von dem persönlich in Erscheinung getretenen Tod," sagte Rolf, nachdem er sich beruhigt hatte, „steckt meiner Ansicht nach etwas ganz Bestimmtes. Da nutzt ein Mensch den Aberglauben und die Furcht der Menschen aus um irgendein dunkles Geschäft ohne die dabei natürlich lästigen Zuschauer betreiben zu können."
Wir hatten uns den Pomaran-Inseln schnell genähert. Nach einer halben Stunde schon lief unsere Jacht in den Hafen von Samarinda ein. Wir wollten uns nicht lange aufhalten und beauftragten Pongo, mit Hoffmann zusammen die nötigen Lebensmittel einzukaufen. Ich persönlich gab Pongo den Auftrag mit, zu versuchen, ob er für mich eine Dose Thunfisch erwerben könnte, auf den ich gerade Heißhunger hatte, obwohl ich mir darüber klar war, daß man auf einer dieser Inseln hier schwerlich italienische Fischkonserven erhalten würde.
Währenddessen wollten Rolf und ich eine Hafenwirtschaft besuchen und ein bißchen nach dem „Tod" herum horchen. Langsam gingen wir über den Hafenplatz und bogen in die erstbeste Nebenstraße ein. Da bemerkten wir eine Matrosenschenke, die uns vertrauenerweckend aussah. Nachdem wir durch die großen Schaufensterscheiben die augenblicklichen Gäste gemustert hatten, traten wir ein. Es war eine Wirtschaft, wie man sie überall in den Häfen antrifft, gleichgültig, ob sie an der Nordsee oder am Pazifischen Ozean liegen, in Westafrika oder in Kanada. Das Publikum ist überall international und setzt sich in der Hauptsache aus Seefahrern zusammen und solchen, die mit ihnen irgendwelche ganz sauberen oder auch etwas lichtscheuen Geschäfte machen wollen. Gesungen, gepfiffen und getanzt wird in allen Hafenschenken auch, und Schlägereien kommen hin und wieder vor, wenn die Gemüter sich am Alkohol oder an den eigenen Berichten erhitzt haben. Jeder Fremde, der ein solches Lokal betritt, wird genau unter die Lupe genommen, ob er von der Zunft der Wasserratten ist oder etwa gar ein Spitzel eines Seeamtes, das nach desertierten Matrosen ihre oft gerissenen manchmal aber auch recht unbeholfenen Außendienst-Beamten ausgeschickt hat.
Wir bekümmerten uns nicht weiter um die neugierigen Blicke, die man uns zuwarf, als wir die Schenke betreten hatten und sicher auf einen unbesetzten Tisch lossteuerten, der im Hintergrund des Lokals stand. Wenige Minuten nach uns betraten zwei Matrosen mit schaukelndem Seemannsgang die Kneipe, sahen sich, ohne die eifrige Erzählung, in der sie begriffen waren, zu unterbrechen, nach allen Seiten um und setzten sich mit einem in die Länge gezogenen „Good day" an den Tisch, an dem wir eben Platz genommen hatten.
Der eine Matrose war bedeutend höflicher als der andere. Das fiel mir sofort auf, als sie sich unserem Tisch näherten, übrigens verstummte ihr Gespräch, nachdem sie sich gesetzt hatten; offenbar wollten sie für das, was sie sich zu erzählen hatten, keine Zeugen haben. Aber die Unterhaltung schien auch wieder nicht so wichtig oder gar eilig zu sein, daß sie sie unbedingt sofort hätten fortsetzen müssen, sonst hätten sie ja einen Tisch wählen können, an dem niemand saß. Vielleicht
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