Rolf Torring 120 - Der grüne Käfer
muß ich heute Nacht holen. Jetzt aber wollen wir einen Rundgang durch die Klosterräume machen, damit wir uns auskennen. Wir wissen noch nicht, was uns morgen bevorsteht. Da ist es gut, wenn wir mit der Örtlichkeit vertraut sind."
Wir wandelten durch die vielen Gänge des alten, hoch oben in den Bergen gelegenen Klosters. Obwohl wir mehrere Stunden lang die einzelnen Räume in Augenschein nahmen, sahen wir nicht einen einzigen der Chinesen, und doch waren wir fest davon überzeugt, daß sie immer in unserer Nähe waren.
Der alte Klostergarten war eine Sehenswürdigkeit für sich. Seine Anlage mußte ungeheuere Arbeit verursacht haben. Die alten Bäume verrieten, daß er vor vielen Jahrzehnten, wenn nicht vor Jahrhunderten geschaffen worden war. Waren die Chinesen Mönche oder Priester, die sich nur zu Zeiten hier trafen? Ich mußte an die weiße Göttin denken und fragte Rolf nach seiner Meinung.
„Wir wollen die weiße Göttin nicht mehr erwähnen, ehe wir nicht Mitglieder des Bundes sind," antwortete mein Freund.
„Hast du denn tatsächlich die Absicht, Mitglied der Sekte der ,grünen Käfer' zu werden?"
„Wenn meine Annahmen zutreffen, auf jeden Fall. Wir wollen jetzt suchen, wo sich die Bibliothek befindet."
Wieder im Hause angekommen, suchten wir lange nach einer Treppe, die nach unten führte. Unser Suchen war vergeblich. Wir kehrten in unser Zimmer zurück, wo ein ausgezeichnetes Abendbrot für uns bereitstand.
Da wir müde waren, legten wir uns nieder. Ich war bald eingeschlafen. Gegen Mitternacht weckte Rolf mich. Vorsichtig öffneten wir die Tür. Unsere Vorsicht war überflüssig. Auf dem Gang stand keine Wache. Der Gang war von einer trüben Lampe erhellt. Wir nahmen unsere Taschenlampen, die man uns belassen hatte, und schlichen zu Tuin Kolos Arbeitszimmer. Wir wußten, daß er nicht in dem gleichen Räume schlief. Rolf wollte das Buch holen. In Tuin Kolos Zimmer angekommen, interessierte er sich aber auch noch für andere Dinge. Der Bücherschrank hatte es ihm angetan. Er versuchte, ihn ein Stück von der Wand abzurücken. Es ging sehr leicht, der Schrank lief sogar auf Schienen.
Lachend deutete Rolf auf eine dunkle Öffnung hinter dem Schrank, die bisher verdeckt war. Treppen führten in die Tiefe; danach also hatte Rolf gesucht. Wir stiegen hinab, ich brachte als letzter den Schrank in die alte Lage zurück.
Tiefer und tiefer ging es. Plötzlich standen wir an einer verschlossenen Tür. Sie wies kein Schloß auf. Rolf suchte so lange, bis er den geheimen Mechanismus fand. Die Tür bewegte sich in ihren Angeln. Wir standen im Eingang der großen Bibliothek des Klosters.
Wir leuchteten die langen Reihen der geordnet in Regalen stehenden Bände ab. Rolf schien etwas Bestimmtes zu suchen. Da entdeckten wir in einer Ecke noch eine Tür, auch sie war verschlossen. Neben der Tür stand eine alte Truhe, die sich leicht öffnen ließ. Auch sie enthielt Bücher, aber schadhafte Exemplare. Rolf nahm sie einzeln heraus und betrachtete sie eingehend. Plötzlich stieß er einen leisen Freudenruf aus: er hatte wohl gefunden, was er gesucht hatte. In seinen Händen drehte er ein sehr zerlesenes Buch, auf dessen Deckel ein grüner Käfer abgebildet war.
„Morgen früh kennen wir das Geheimnis des ,grünen Käfers'," sagte er.
Wir eilten auf dem Wege, auf dem wir gekommen waren, in unser Zimmer zurück.
„So, Herr Professor," lachte Rolf leise, „Sie können Chinesisch und werden sich die Nacht hindurch hinsetzen, um das Buch durchzustudieren. Wir werden uns inzwischen schlafen legen. Morgen früh erzählen Sie uns den Inhalt und können den versäumten Nachtschlaf nachholen."
Der Professor brannte selbst darauf, den Inhalt des Buches kennen zu lernen. Wir legten uns schlafen, bis uns Kennt am Morgen weckte. Fragend blickten wir ihn an.
„Jetzt weiß ich über das Geheimnis des ,grünen Käfers' Bescheid," meinte der Professor sehr ernst, „und werde Mitglied des Bundes werden. Endlich habe ich einmal etwas Bedeutungsvolles in meinem Leben erreicht. Amerika wird später Augen machen."
In kurzen Worten schilderte und umriss Professor Kennt den Inhalt des Buches. Wir hörten gespannt zu.
5. Kapitel Der grüne Käfer
Gleich nach dem Frühstück ließen wir uns bei Tuin Kolo melden. Er war erfreut, aus unserem Munde zu hören, daß wir bereit wären, Mitglieder des Bundes
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