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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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nach einer Weile.
    »Ich gebe der Bildung die Schuld«, erwiderte der Rabe.
    »Viel Wissen ist immer gefährlich«, verkündete der Schädel. »Viel Wis-
    sen ist viel gefährlicher als wenig Wissen. Das habe ich oft betont, als ich noch lebte.«
    »Wann war das?«
    »Weiß nicht mehr genau. Ich glaube, damals wußte ich eine ganze
    Menge. Bin vermutlich Lehrer oder Philosoph gewesen. Und jetzt liege
    ich auf einer Werkbank, und ein Vogel kackt mir aufs Haupt.«
    »Sehr allegorisch«, sagte der Rabe.

    Niemand hatte Susanne auf die Macht des Glaubens hingewiesen. Nie-
    mand hatte ihr erklärt, daß die Macht des Glaubens sich besonders an
    einem Ort mit hohem magischen Potential und geringer Realitätsstabili-
    tät entfaltete. Die Scheibenwelt war ein solcher Ort.
    Glaube schafft einen Hohlraum, der von etwas gefül t werden muß.
    Zwischen Glaube und Logik muß nicht unbedingt ein Widerspruch be-
    stehen. So ist zum Beispiel völ ig klar, warum der Sandmann nur einen
    kleinen Beutel benötigt.
    Auf der Scheibenwelt spart er sich die Mühe, den Sand herauszuneh-
    men.

    Es war fast Mitternacht.
    Susanne schlich in den Stal . Sie gehörte zu den Personen, die ein Rät-
    sel nicht ungelöst lassen können.
    In Binkys Gegenwart wagten es die Ponys nicht, auch nur einen Laut
    von sich zu geben. Der Hengst glühte im Dunkeln.
    Susanne nahm einen Sattel vom Gestell und überlegte es sich dann an-
    ders. Wenn sie herunterfiel, nützte ihr auch ein Sattel nichts. Und Zügel
    hatten ebensoviel Sinn wie Ruder an einem Felsbrocken.
    Sie öffnete die Tür der Box. Die meisten Pferde weigern sich hartnäk-
    kig, rückwärts zu gehen. Was sie nicht sehen können, existiert für sie
    auch nicht. Binky hingegen tänzelte bereitwillig heraus, blieb neben dem
    Holzklotz zum Aufsteigen stehen und sah das Mädchen erwartungsvol
    an.
    Susanne schwang sich auf den Rücken des Pferds und hatte das Ge-
    fühl, sich auf einen Tisch zu setzen.
    »Na schön«, flüsterte sie. »Aber denk daran: Ich brauche dies nicht zu
    glauben.«
    Binky senkte den Kopf und wieherte. Dann trabte er auf den Hof in
    Richtung Koppel. Am Tor fiel er in einen langsamen Galopp.
    Susanne schloß die Augen.
    Sie spürte, wie sich unter der samtenen Haut die Muskeln spannten.
    Eine Sekunde später stieg das Pferd auf und… flog.
    Auf dem Boden blieben zwei feurige Hufabdrücke zurück, die allmäh-
    lich verblaßten.
    Als sie über das Internatsgebäude hinwegsausten, sah Susanne flak-
    kerndes Licht in einem Fenster. Frau Anstand machte ihre Runde.
    Das gibt Ärger, dachte die Schülerin.
    Und dann dachte sie: Ich sitze auf dem Rücken eines fliegenden
    Pferds, das mich zu einem geheimnisvollen Ort bringt, in eine Art magi-
    sches Reich mit Kobolden und sprechenden Tieren. Man bekommt nur
    eine gewisse Menge Ärger…

    Und verstößt es etwa gegen die Vorschriften, auf einem fliegenden
    Pferd zu reiten? Ein solches Verbot ist bestimmt nirgends niederge-
    schrieben.
    Quirm verschwand hinter ihr. Die Welt verwandelte sich in ein Muster
    aus Dunkelheit und silbernem Mondschein. Schachbrettartige Felder
    huschten tief unten dahin; gelegentlich sah sie Lichter von vereinzelten
    Bauernhöfen.
    Wolkenfetzen strichen vorbei.
    Links bildeten die Spitzhornberge eine kalte weiße Mauer. Rechts trug
    das Randmeer einen leuchtenden Weg zum Mond. Kein Wind wehte,
    und das Gefühl hoher Geschwindigkeit blieb aus. Nur das Land bewegte
    sich – und Binkys Beine.
    Kurz darauf goß jemand Gold in die Nacht. Vor Susanne teilten sich
    die Wolken, und unter ihr breitete sich Ankh-Morpork aus – eine Stadt,
    die mehr Gefahren barg, als sich Frau Anstand vorstel en konnte.
    Fackelschein erleuchtete Straßen, in denen sich Quirm nicht nur verir-
    ren konnte, sondern auch damit rechnen mußte, überfal en, ausgeraubt
    und in den Fluß geworfen zu werden.
    Binky galoppierte mühelos über die Dächer hinweg. Susanne hörte die
    Geräusche der Straßen, vernahm sogar einzelne Stimmen und das al ge-
    meine Donnern der Stadt wie von einem gewaltigen Ameisenhaufen.
    Hohe Fenster schwebten vorbei. Hinter vielen schimmerte das Licht von
    Kerzen.
    Das Pferd sank durch Rauch und landete in einer leeren Gasse. Susan-
    ne bemerkte eine geschlossene Tür mit einem Schild und einer Fackel
    darüber.
    Sie las:

    Kücheneingank. Zutritt verboten.
    Damit Bis Du Gemaint.

    Binky schien auf etwas zu warten.
    Susanne hatte mit einem exotischeren Ziel gerechnet.

    Über Curry wußte sie Bescheid. Im

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