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Rollende Steine

Rollende Steine

Titel: Rollende Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Platz, als der Alte an ihr vorbeihastete.
    Schließlich blieb Albert stehen und hielt sich ein Auge zu. Dann drehte
    er sich langsam um. Im sichtbaren Auge zeigte sich ein Glanz, der ver-
    zweifelte Konzentration verriet.
    Er spähte zum Stuhl, und das Auge tränte vor Anstrengung.
    »Nicht schlecht«, sagte er leise. »Na schön. Du bist hier. Die Ratte und
    das Pferd haben dich geholt. Sie glauben, die richtige Entscheidung ge-
    troffen zu haben, aber da irren sie sich.«

    »Welche Entscheidung?« fragte Susanne. »Und außerdem bin ich kei-
    ne… Göre.«
    Albert starrte sie groß an.
    »Der Herr ist dazu imstande«, brummte er. »Bei ihm gehört das zum
    Job. Vermutlich hast du schon vor einer ganzen Weile herausgefunden,
    daß du es ebenfal s kannst. Ich meine, nicht bemerkt zu werden, wenn
    du nicht bemerkt werden möchtest?«
    QUIEK, sagte der Rattentod.
    »Was?« fragte Albert.
    QUIEK.
    »Er läßt dir folgendes mitteilen«, sagte der Alte mürrisch. »›Göre‹ be-
    deutet soviel wie ›Mädchen‹. Er glaubt, du könntest mich viel eicht falsch
    verstanden haben.«
    Susanne beugte sich ein wenig vor.
    Albert zog einen anderen Stuhl heran und setzte sich ebenfal s.
    »Wie alt bist du?«
    »Sechzehn.«
    »Meine Güte.« Albert rollte mit den Augen. »Seit wann bist du schon
    sechzehn?«
    »Seit ich fünfzehn gewesen bin, ist doch klar. Bist du dumm?«
    »Ach, wie die Zeit vergeht«, sagte Albert. »Weißt du, warum du hier
    bist?«
    »Nein, aber…« Susanne zögerte. »Es hat bestimmt etwas zu tun mit…
    Ich meine, viel eicht… äh… ich sehe Dinge, die andere Leute nicht se-
    hen… Und dann die Sache mit den Totenschädeln und Knochen…«
    Alberts langgliedrige, geierartige Gestalt ragte vor ihr auf.
    »Möchtest du eine Tasse Kakao?« fragte er.
    Gegen diesen Kakao war der im Internat nur heißes braunes Wasser.
    In Alberts Kakao gab es Fett. Wenn man die Tasse umdrehte, dauerte es
    eine Weile, bis etwas herausfiel.

    »Deine Eltern…«, sagte Albert, als Susanne einen Kakao-Schnurrbart
    hatte, für den sie viel zu jung wirkte. »Haben sie dir jemals etwas… er-
    klärt?«
    »Das hat Frau Delokus in Biologie versucht«, sagte Susanne. »Sie
    brachte al es durcheinander«, fügte sie hinzu.
    »Ich meine über deinen Großvater.«
    »Ich erinnere mich an Dinge«, erwiderte Susanne. »Aber erst dann,
    wenn ich sie sehe. So war’s beim Badezimmer – und auch bei dir.«
    »Deine Mutter und dein Vater hielten es für besser, daß du vergißt«,
    sagte Albert. »Ha! Es steckt in den Knochen! Deine Eltern fürchteten,
    daß so etwas geschehen könnte, und nun ist es passiert. Du hast gewisse Eigenschaften geerbt.«
    »Oh, darüber weiß ich Bescheid«, meinte Susanne. »Dabei geht’s um
    Mäuse und Bohnen und so.«
    Albert sah sie groß an.
    »Ich versuche, es taktvol auszudrücken«, kündigte er an. »Dein Groß-
    vater ist Tod«, erklärte Albert. »Du weißt schon… ein Skelett mit
    schwarzem Kapuzenmantel. Du bist auf seinem Pferd geritten, auf dem
    weißen Hengst, der dich hierherbrachte. Jetzt ist er fort. Nicht der
    Hengst, sondern Tod. Um über Dinge zu meditieren, oder was weiß ich.
    Und das hat dich hierhergesaugt. Weil es in den Knochen steckt. Du bist
    alt genug. Ein Loch ist entstanden, und es glaubt, du hast die richtige
    Form. Mir gefäl t das ebensowenig wie dir.«
    »Tod«, murmelte Susanne. »Nun, ich kann nicht behaupten, nie etwas
    geahnt zu haben. So wie Schneevater, Sandmann und Zahnfee?«
    »Ja.«
    QUIEK.
    »Das sol ich wirklich glauben?« fragte Susanne und versuchte, in diese
    Worte möglichst viel Verachtung zu legen.
    Albert hielt ihrem durchdringenden Blick stand wie jemand, an dem
    Verachtung völlig wirkungslos abprallt.
    » Mir ist es völ ig schnuppe, was du glaubst oder nicht, junge Dame«, sagte er.

    »Meinst du wirklich die große Gestalt mit der Sense und so?«
    »Ja.«
    »Jetzt hör mal, Albert…« Susanne sprach jetzt in dem Tonfal , den man
    Einfältigen und Begriffsstutzigen gegenüber anschlägt. »Selbst wenn es
    einen solchen Tod gäbe… und ich halte es für absurd, eine ganz natürli-
    che Funktion zu anthropomorphisieren… kann man sicher nichts von
    ihm erben. Mit Vererbung kenne ich mich aus; warum man rote Haare hat und so. Man bekommt sie von Menschen. Beziehungsweise von Leuten.
    Nicht von… Mythen und Legenden… äh.«
    Der Rattentod wandte sich dem Käsebrett zu, hob seine Sense und
    schnitt ein Stück ab. Albert lehnte sich

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