Rollende Steine
daß Ungeheuer aus einer anderen Dimension in unsere durchbre-
chen. So was passiert hier immer wieder.«
»Entschuldigung«, sagte der Große Irre Adrian. Argwohn vibrierte in
seiner Stimme. »Ich möchte keine Unruhe stiften, aber… ist das der Tod
oder nicht? Auf den Bildern sieht er ganz anders aus.«
»Wir haben den Ritus vol zogen«, erwiderte Ridcully. »Und dies hier ist
das Ergebnis.«
»Ja, aber mein Vater ist Heringsfischer, und er findet nicht nur Heringe
in seinen Netzen«, gab Skazz zu bedenken.
»Die… äh… junge Frau könnte irgendwer sein«, meinte Tez der
Schreckliche. »Ich habe mir den Tod immer größer und mit mehr Kno-
chen vorgestellt.«
»Sie ist nur ein Mädchen, das ein bißchen angeben möchte.«
In Susannes Augen blitzte es.
»Außerdem hat sie nicht einmal eine Sense«, fügte Tez hinzu.
Susanne konzentrierte sich. Die Sense erschien in ihren Händen. Die
Klinge glänzte bläulich und verursachte ein ganz besonderes Geräusch:
wie ein Finger, der über den Rand eines Glases strich.
Die Studenten atmeten tief durch.
»Ich bin immer der Meinung gewesen, daß es Zeit wird, gewisse Dinge
zu ändern«, sagte Tez.
»Ja, genau«, pflichtete ihm Skazz bei. »Es wird Zeit, daß auch Mädchen
die Chance erhalten, in den gehobenen Berufen voranzukommen.«
»Wagt es bloß nicht, mich von oben herab zu behandeln!«
»Das finde ich auch«, stimmte Ponder seinen Kol egen zu. »Es gibt
keinen Grund, warum der Tod unbedingt männlich sein sollte. Eine Frau
könnte seinen Job fast ebenso gut erledigen.«
»Du bist ein recht ordentlicher Tod«, sagte Ridcully.
Er bedachte Susanne mit einem aufmunternden Lächeln.
Sie musterte ihn. Ich bin der Tod, dachte sie. Ich vertrete ihn zumin-
dest. Und dies ist ein dicker alter Mann, der nicht das Recht hat, mir
irgendwelche Befehle zu erteilen. Wenn ich ihn zornig genug anstarre,
dürfte ihm klarwerden, wie ernst die Situation ist. Sie starrte zornig.
»Was hältst du von einem Frühstück, junge Dame?« fragte Ridcul y.
Die Geflickte Trommel schloß nur selten. Gegen sechs Uhr morgens wurde es meistens ruhig, aber Hibiskus ließ die Taverne so lange geöffnet, wie
jemand etwas zu trinken wollte.
Diesmal wol te jemand ziemlich viel trinken. Vor der Theke stand eine
nur undeutlich zu erkennende Gestalt. Wenn sie sich bewegte, rieselte
Sand zu Boden. Außerdem steckten einige Pfeile offenbar klatschiani-
schen Ursprungs in ihr.
Der Wirt beugte sich vor.
»Habe ich dich schon einmal gesehen?«
KANN SEIN. ICH KOMME OFT HIERHER. ZUM
LETZTENMAL WAR ICH LETZTEN MITTWOCH HIER.
»Ha! Da ging’s ganz schön rund. Der arme alte Vince wurde ersto-
chen.«
JA.
»Er forderte es geradezu heraus, indem er sich Vincent der Unver-
wundbare nannte.«
JA. EIN UNPASSENDER NAME, WIE SICH HERAUSSTELLTE.
»Die Wache sprach von Selbstmord.«
Tod nickte. Die Geflickte Trommel zu betreten und sich Vincent der Un-verwundbare zu nennen… Das war Selbstmord, nach den Maßstäben
von Ankh-Morpork.
IN DIESEM GETRÄNK SCHWIMMT EINE MADE!
Der Wirt blickte ins Glas.
»Das ist keine Made, sondern ein Wurm«, sagte er.
OH. UND WÜRMER SCHMECKEN BESSER, WIE?
»Er gehört da hinein. Das ist eine mexikalische Spezialität. Der Wurm
zeigt, wie stark das Getränk ist.«
STARK GENUG, UM WÜRMER ZU TÖTEN?
Der Wirt kratzte sich am Kopf. So hatte er das noch nie betrachtet.
»Die Leute mögen es so«, sagte er schließlich.
Tod griff nach der Flasche und hob sie an bis auf etwas, das bei je-
mand anderem Augenhöhe gewesen wäre. Der Wurm drehte sich einsam
und verlassen.
WIE IST ES? fragte er.
»Nun, es brennt ein wenig in der Kehle…«
ICH HABE NICHT DICH GEMEINT.
»Frühstück?« wiederholte Susanne. »Ich meine… FRÜHSTÜCK?«
»Inzwischen dürfte es Morgen sein«, sagte der Erzkanzler. »Und es ist
schon eine ganze Weile her, daß ich mit einer reizenden jungen Dame
frühstücken konnte.«
»Meine Güte, bist du jetzt vollkommen übergeschnappt?« entfuhr es
Susanne.
»Na schön, lassen wir das reizend «, erwiderte Ridcully ruhig. »Aber die Spatzen husten in den Bäumen, und die Sonne schaut über die Mauern,
und ich rieche den Duft, der aus der Küche kommt. Und außerdem hat
man nicht alle Tage Gelegenheit, mit dem Tod zu speisen. Spielst du
zufällig Schach?«
»Sogar sehr gut«, sagte Susanne. Sie klang noch immer ein wenig ver-
wirrt.
»Dachte ich mir. Na schön, Jungs. Ihr könnt euch jetzt wieder den
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