Rom - Band II
häufiger herauskommen, als mir lieb ist.«
Pierre kannte allerdings diese Geschichte. Die Boccaneras hatten die prächtige Villa verkaufen müssen, die ein Kardinal, ihr Ahnherr, hier nach den Entwürfen des Giacomo della Porte in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts erbaut hatte. Es war eine königliche Sommerwohnung, mit wunderbaren schattigen Bäumen, Hagebuchenhainen, Wasserbecken, Kaskaden und insbesondere einer Terrasse, die unter allen anderen des Landes berühmt war. Sie ragte wie ein Vorgebirge über die römische Campagna, deren endlose Fläche von dem Sabinergebirge bis zu dem Sande des Mittelmeeres reicht. Bei der Teilung erhielt Benedetta von ihrer Mutter die großen Weingärten unterhalb von Frascati; sie hatte sie Prada als Mitgift zugebracht, gerade in dem Augenblick, da der Steinwahnsinn von Rom auch über die Provinzen fuhr. Prada war daher auf den Gedanken geraten, hier ein ganzes Viertel von bürgerlichen Villen nach dem Muster derjenigen, die die Bannmeile von Paris verstopfen, zu bauen. Aber nur wenige Käufer hatten sich dargeboten, der finanzielle Krach war hinzugekommen, und so liquidirte er mühsam dieses widrige Unternehmen, nachdem er seine Frau gleich nach ihrer Trennung schadlos gehalten hatte.
»Und dann,« fuhr er fort, »mit einem Wagen kommt und geht man, wenn man will, während man ein Sklave der Eisenbahn ist. So habe ich heute vormittag eine Zusammenkunft mit Unternehmern, Sachverständigen, Advokaten und weiß nicht, wie lange sie mich in Anspruch nehmen werden ... Ein wunderbares Land, nicht wahr? Wir in Rom haben Grund, darauf stolz zu sein. Wenn ich auch im Augenblick hier Unannehmlichkeiten habe, so kann ich nicht hierher kommen, ohne daß mein Herz vor Freude klopft.«
Was er nicht sagte, war, daß Lisbeth Kauffmann, seine Freundin, wie er sie nannte, den Sommer in einer der neuen Villen zugebracht hatte. Sie hatte hier ihr anmutiges Künstleratelier aufgeschlagen und wurde von der ganzen Fremdenkolonie besucht; diese duldete die Unregelmäßigkeit ihrer Stellung seit dem Tode ihres Gatten, dank ihrer Heiterkeit und ihrer Malerei, die gerade ausreichte, um sie unabhängig zu machen. Man hatte zuletzt sogar ihre Schwangerschaft hingenommen. Sie war vor vierzehn Tagen nach Rom zurückgekehrt, um dort mit einem dicken Jungen niederzukommen, dessen Erscheinen in den weißen und in den schwarzen Salons die leidenschaftlichen Klatschereien über die bevorstehende Scheidung Benedettas und Pradas wieder entzündet hatte. Die Liebe des Letzteren zu Frascati rührte sicherlich von seinen zärtlichen Erinnerungen und der großen, stolzen Freude her, in die ihn diese Geburt eines Sohnes versetzte.
Pierre, der bei seinem instinktiven Haß vor geld- und beutegierigen Leuten in Pradas Gegenwart stets eine gewisse Befangenheit, eine Art Unbehagen empfand, wollte trotzdem dessen vollkommene Liebenswürdigkeit beantworten, indem er sich nach seinem Vater, dem alten Orlando, dem Helden der Eroberung, erkundigte.
»O, abgesehen von den Beinen, geht es ihm wunderbar! Er wird hundert Jahre alt werden. Der arme Vater! Ich wäre so froh gewesen, wenn ich ihn in diesem Sommer in einem dieser kleinen Häuser hätte unterbringen können! Aber er wollte nicht; er bleibt eigensinnig dabei, Rom nicht zu verlassen; es ist, als fürchte er, daß man es ihm während seiner Abwesenheit wieder wegnehmen könnte.«
Er brach in helles Lachen aus. Er allein erheiterte sich mit diesem Scherzen über die heroische, außer Mode gekommene Zeit der Unabhängigkeit. Dann fügte er hinzu:
»Er hat erst gestern mit mir über Sie gesprochen, Herr Abbé. Er wundert sich, daß er Sie nicht wieder gesehen hat.«
Das kränkte Pierre, denn er hatte begonnen, Orlando mit ehrfurchtsvoller Zärtlichkeit zu lieben. Seit jenem ersten Besuch war er zweimal bei ihm gewesen, und jedesmal hatte sich der Greis geweigert, über Rom zu sprechen, solange sein junger Freund nicht alles gesehen, alles gehört, alles begriffen habe. Später, wenn der eine wie der andere einen Schluß ziehen könnte, wäre es Zeit dafür.
»O, bitte,« rief Pierre, »sagen Sie ihm gefälligst, daß ich ihn nicht vergesse und daß, wenn mein Besuch auf sich warten läßt, es nur geschieht, weil ich ihn zufrieden stellen will. Aber ich werde nicht abreisen, ohne ihm zu sagen, wie sehr ich von seiner Aufnahme gerührt wurde.«
Beide gingen langsam auf der aufsteigenden Straße weiter; sie zog sich zwischen einigen neuen Villen hin, von
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