Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
Vom Netzwerk:
bewirkten. Eine so kindische Religiosität bei diesem wunderbaren, klugen, leidenschaftlichen, anmutigen Geschöpf machte Pierre betroffen und verzweifelt; er gestattete sich nicht zu lächeln.
    Jeden Abend, wenn er von seinen Spaziergängen zurückkehrte und eine Stunde in dem Zimmer des genesenden Dario zubrachte, verlangte Benedetta, daß er zur Zerstreuung des Kranken seinen Tag schildere; und alles, was er erzählte, sein Erstaunen, seine Erregung, manchmal sein Zorn, nahm inmitten der großen, gedämpften Stille des Zimmers einen traurigen Reiz an. Insbesondere aber als er wieder das Viertel zu verlassen wagte, als er sich in die römischen Gärten verliebte, in die er, um vor Begegnungen sicher zu sein, sich begab, sobald die Thore aufgemacht waren, brachte er schwärmerische Gefühle mit – eine wahre, entzückte Leidenschaft für schöne Bäume, für springendes Wasser, für Terrassen, die sich auf einen erhabenen Horizont öffneten.
    Es waren nicht gerade die größten unter diesen Gärten, die sein Herz am meisten erfüllten. In der Villa Borghese, dem kleinen Boulognerwäldchen Roms, gab es majestätische Holzschläge, königliche Alleen, in denen die Wagen vor der obligaten Spazierfahrt auf dem Corso zu wenden pflegten; aber ihn berührte mehr der abgesonderte Garten vor der Villa – dieser Villa voll blendender Marmorpracht, in der sich heutigen Tags das schönste Museum der Welt befindet. Da war ein einfacher, feiner Rasenteppich, ein sehr großes Mittelbecken, das von der weißen Nacktheit einer Venus beherrscht wird. Da waren Bruchstücke von antiken Vasen, Statuen, Säulen, Sarkophagen, die symmetrisch im Viereck aufgereiht sind, und sonst nichts als dieses einsame, sonnenbeschienene, schwermütige Gras. Auf dem Pincio, den er wieder aufsuchte, verlebte er einen köstlichen Morgen; er begriff den Zauber dieses schmalen Winkels mit seinen seltenen, immer grünen Bäumen, mit seinem bewunderungswürdigen Ausblick, der in der Ferne, in der so zarten, so klaren, mit Sonnenstäubchen durchsetzten Helle ganz Rom und St. Peter zeigte. In der Villa Albani, in der Villa Pamfili fand er die herrlichen Schirmpinien voll riesiger, stolzer Anmut, die mächtigen Wintereichen mit den gewundenen Gliedern und dem fast schwarzen Grün wieder. Besonders in der letzten Villa versenkten die Eichen die Alleen in ein köstliches Halbdunkel; der kleine See mit seinen Trauerweiden und seinen Rohrbüscheln war voll von Träumen, und das tiefer gelegene Blumenparterre entwickelte eine Mosaik von wunderlichem Geschmack, ein verwickeltes Muster von Rosetten und Arabesken, das von den verschiedenartigen Blumen und Blättern gefärbt ward. Was ihm aber in diesem Garten, dem edelsten, größten und bestgepflegten aller dieser Gärten, auffiel, war, daß er, längs einer niedern Mauer schreitend, abermals St. Peter erblickte, und zwar von einer so neuen und unvorhergesehenen Seite, daß sich das symbolische Bild für immer seinem Gedächtnis einprägte. Rom war vollständig verschwunden; zwischen den Abhängen des Monte Mario und eines andern bewaldeten, die Stadt verbergenden Hügels war nichts zu sehen als der gewaltige Dom, dessen Masse auf zerstreuten weißen und roten Blöcken zu ruhen schien. Was er so beherrschte, was er so mit seiner übermäßig großen, von dem hellen Blau des Himmels graublau abstechenden Kuppel erdrückte, das waren die Häuserinseln des Borgos, die zusammengehäuften Gebäude des Vatikans und der Basilika; hinter ihm dagegen, in der Ferne, trat eine bläuliche, sehr zarte Fernsicht in die unbegrenzte Campagna zurück.
    Aber das Seelische der Dinge fühlte Pierre mehr in den weniger prächtigen Gärten, die eine geschlossenere Anmut besaßen. Ach, die Villa Mattei auf dem Abhange des Coelius mit ihrem terrassenförmigen Garten, mit ihren heimlichen, von Aloen, Lorbeerbäumen und riesigen Spindelbäumen begrenzten Alleen, mit ihrem tonnenförmig geschnittenen Buchs, mit ihren Orangenbäumen, Rosen und Springbrunnen! Er brachte dort herrliche Stunden zu. Einen gleichen zauberischen Eindruck empfing er nur auf dem Aventin, als er die drei Kirchen besuchte, die dort unter dem Grün verschwinden; besonders in S. Sabina, der Wiege der Dominikaner, deren kleiner, von allen Seiten geschlossener Garten, der gar keine Aussicht besitzt, in einem lauen und duftigen Frieden schläft. Er ist mit Orangenbäumen bepflanzt, in deren Mitte der hundertjährige, knotige und ungeheure Orangenbaum des heiligen Dominikus

Weitere Kostenlose Bücher