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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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die alten Ufer noch derart erhöhen müssen, daß die Terrasse des kleinen Boccaneraschen Gartens unter dem Schutze ihres Portikus, mit ihrer Doppeltreppe, an der einst die Lustboote verankerten, sich niedriger befand und in Gefahr stand, ganz begraben zu werden und zu verschwinden, sobald die Straßenarbeiten beendigt werden würden. Es war noch nichts nivellirt, die herbeigeführte Erde blieb so liegen, wie die Schubkarren sie abgeladen hatten, und überall war inmitten der verlassenen Materialien nichts zu sehen als Morastlöcher und Abrutschungen. Nur armselige Kinder spielten zwischen diesem Schutt, in dem der Palast versank, arbeitslose Werkleute schliefen träge in der heißen Sonne, und Frauen breiteten ihre ärmliche Wäsche auf den Kieselhaufen aus. Dennoch war es für Pierre ein glückliches Asyl voll sicheren Friedens und unerschöpflicher Träumereien, wenn er hier stundenlang verweilte, um den Fluß und die Quais und die Stadt gegenüber zu beiden Seiten zu betrachten.
    Von acht Uhr ab vergoldete die Sonne die unermeßliche Lücke mit ihrem gelben Licht. Wenn er hinüber nach links zu schaute, bemerkte er die fernen Dächer von Trastevere, die sich graublau, von Nebel überzogen, von dem glänzenden Himmel abhoben. Gegen rechts zu bildete der Fluß jenseits des runden Chors von S. Giovanni de Fiorentini einen Bogen. Die Pappeln des Heiligengeistspitals zogen über das andere Ufer ihren grünen Vorhang und ließen am Horizont das reine Profil der Engelsburg sehen. Vor allem aber konnte er die Augen nicht von dem gegenüber liegenden Ufer losreißen; denn dort war ein Stück des ganz alten Rom unversehrt geblieben. Von der Sixtusbrücke bis zur Engelsbrücke befand sich auf dem rechten Ufer der Teil der unterbrochenen Quaibauten, dessen Fertigstellung später den Fluß vollends in die schrecklichen, hohen und weißen Festungsmauern einsperren würde. Und wirklich, diese außerordentliche Heraufbeschwörung der alten Zeit, dieses mit einem ganzen Stück der alten Päpstestadt bedeckte Ufer, war etwas Ueberraschendes, Bezauberndes. Auf der Via della Longara mußten die gleichförmigen Fassaden wohl neu angestrichen sein, aber hier blieben die Rückseiten der bis zum Wasser reichenden Häuser so, wie sie waren: rissig, gebräunt, rostbefleckt, gleich antiken Bronzen von der brennenden Sommersonne mit Patina überzogen. Was für ein Haufen, was für eine unglaubliche Menge! Unten dunkle Gewölbe, in die der Fluß eindrang, Pfahlwerk, das die Mauern stützte, Stücke römischer Bauwerke, die senkrecht hinabtauchten; dann steile, aus den Fugen geratene, grün überzogene, aus dem Ufersand aufsteigende Treppen, über einander liegende Terrassen, Stockwerke mit den Reihen der unregelmäßigen, aufs Geratewohl durchgebrochenen kleinen Fenster, Häuser, die sich über anderen Häusern erhoben – und das in einem ausschweifenden, phantastischen Durcheinander von Balkonen, von Holzgalerien, von quer über Hofe geschlagenen Brücken, von Baumgruppen, die aus den Dächern gesproßt zu sein schienen, von hinzugefügten Mansarden, die inmitten der rosa Dachziegel aufgesetzt waren. Eine Traufe gegenüber floß mit lautem Geräusch aus einem abgenutzten und besudelten Steinrachen. Ueberall, wo das Ufer durch das Zurücktreten der Häuser erschien, war es mit einer wilden Vegetation, mit Unkraut, Sträuchern, mit Epheumänteln bedeckt, die in königlichen Falten auf dem Boden schleppten. Das Elend, der Schmerz verschwand unter der Verklärung der Sonne, die alten eingesunkenen, zusammengehäuften Fassaden wurden zu Gold, die in den Fenstern trocknende Wäsche flaggte sie mit dem Purpur der roten Röcke und dem blendenden Schneeweiß des Linnens. Weiter oben dagegen, über dem Viertel, erhob sich in dem Glanze des Gestirns der Janiculus mit dem feinen Profil von S. Onofrio, zwischen Cypressen und Pinien.
    Pierre lehnte sich oft an die Brüstung der ungeheuren Quaimauer und blieb lange dort stehen, um mit schwellendem Herzen, voll von der Trauer der toten Jahrhunderte, den dahinfließenden Tiber zu betrachten. Nichts hätte die große Müdigkeit dieser alten Gewässer zu schildern vermocht, nichts ihr düsteres, langsames Dahinfließen am Grunde dieses sie einschließenden, babylonischen Grabens, dieser übergroßen, geraden, glatten, kahlen, in ihrer neuen Häßlichkeit noch ganz weißlichen Gefängnismauern. In der Sonne nahm der gelbe Fluß eine Goldfarbe an und schillerte durch den leichten Schauer seiner Strömung in

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