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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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bürgerliche wieder erlangen würde, um nur noch einen Glauben und ein Reich zu bilden? Und von welchem Erstaunen wurde man angesichts dieser Frage, angesichts dieser zu beendigenden wunderbaren Aufgabe ergriffen, wenn man an die heitere Ruhe Roms, an seine geduldige Hartnäckigkeit dachte, die nie gezweifelt hat, die heute weniger denn je zweifelt! Es ist mit seinen Bischöfen und mit seinen Missionaren immer an der Arbeit, vermag nicht zu ermüden und schafft in der unbedingten Ueberzeugung, daß nur Rom allein eines Tages der Herr der Welt sein werde, sein Werk ohne Stocken, gleich wie die unendlich kleinen Teilchen die Welt geschaffen haben.
    Ach, dieses fortwährend auf dem Marsch befindliche Heer! Pierre sah und hörte, wie es in dieser Stunde jenseits der Meere durch alle Kontinente hindurch die politische Eroberung im Namen der Religion vorbereitete und sicherte. Narcisse hatte ihm erzählt, mit welcher Sorgfalt die Botschaften die Thätigkeit der Propaganda in Rom überwachen mußten; denn die Missionen waren oft nationale Werkzeuge von entscheidender Macht. Die kirchliche Herrschaft sicherte die weltliche, die eroberten Seelen gaben die Körper. Es fand daher ein unaufhörlicher Kampf statt, bei dem die Kongregation die Missionare Italiens oder der verbündeten Nationen, deren siegreiche Occupation sie wünschte, begünstigte. Sie war stets auf ihre französische Nebenbuhlerin, die Propagation de la foi eifersüchtig, die ihren Sitz in Lyon hat, ebenso reich, ebenso mächtig wie sie ist und mehr energische und mutige Männer besitzt. Sie begnügte sich nicht damit, ihr einen beträchtlichen Tribut aufzuerlegen, sondern überbot, opferte sie überall, wo sie ihren Sieg fürchtete. Zu wiederholtemnalen wurden französische Missionare, französische Orden verjagt, um italienischen oder deutschen Mönchen Platz zu machen. Diesen geheimen politischen Intriguenherd hinter dem zivilisatorischen Eifer des Glaubens erriet jetzt Pierre in dem düstern, staubigen, nie von der Sonne erheiterten Gemache. Sein früherer Schauer hatte ihn wieder ergriffen, dieser Schauer über Dinge, die man kennt, die einem eines Tages plötzlich ungeheuerlich und erschreckend erscheinen. Mußte dieses in der ganzen Welt organisirte, mit ewigem Starrsinn in der Zeit und im Raum arbeitende Werkzeug der Eroberung und Gewalt nicht die Weisesten verstört, nicht die Tapfersten erbleichen machen? Es begnügte sich nicht damit, die Seelen zu fordern, sondern arbeitete an seiner künftigen Herrschaft über alle Menschen, verfügte über sie, da es sie noch nicht an sich nehmen konnte, und trat sie dem weltlichen Herrn ab, der sie ihm aufbewahren sollte. Welch wunderbarer Traum! Rom wartet in lächelnder Ruhe auf das Jahrhundert, da es die zweihundert Millionen Mohammedaner und die siebenhundert Millionen Brahmanen und Buddhisten in ein einziges Volk aufgesaugt haben, dessen geistlicher und weltlicher König es im Namen des triumphirenden Christus sein wird!
    Ein Geräusch von Husten bewog Pierre, sich umzudrehen; er fuhr zusammen, als er den Kardinal Sarno erblickte, dessen Eintritt er nicht gehört hatte. Daß er ihn so vor dieser Karte antraf, war ihm, als hätte man ihn bei etwas Bösem, beim Verletzen eines Geheimnisses ertappt. Eine tiefe Röte überzog sein Gesicht.
    Aber der Kardinal, der ihn mit seinen glanzlosen Augen starr betrachtet hatte, ging an seinen Schreibtisch und ließ sich, ohne ein Wort zu sprechen, auf seinen Lehnstuhl niederfallen. Mit einer Handbewegung hatte er ihn von dem Ringkuß entbunden.
    »Ich wollte Eurer Eminenz meine Ehrfurcht bezeigen ... Ist Eure Eminenz leidend?«
    »Nein, nein, es ist noch immer dieser verwünschte Schnupfen, der mich nicht verlassen will. Und dann habe ich im Augenblicke so viel zu thun!«
    Pierre blickte ihn an; in dem fahlen Lichte, das zum Fenster hereinfiel, sah er mit seiner linken, höheren Schulter so siech, so verwachsen ans! In seinem ausgemergelten, erdfahlen Gesicht war nichts Lebendiges mehr, nicht einmal der Blick. Er erinnerte sich an einen seiner Oheime in Paris, der, nachdem er dreißig Jahre in dem Bureau eines Ministeriums zugebracht hatte, diesen toten Blick, diese pergamentartige Haut, diesen müden Stumpfsinn des ganzen Wesens besaß. War es also möglich, daß dieser Mann, dieser kleine, ausgetrocknete, in seiner schwarzen, rotbordirten Sutane schwimmende Greis der Herr der Welt war, und ohne Rom verlassen zu haben, in solchem Maße die Karte der Christenheit in sich

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