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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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Licht des düstern Wintermorgens drang herein. Da waren unter der Decke aus geschnitztem und vergoldetem Holz wieder die roten Wandtapeten, ein großpalmiger, vom langen Gebrauch zerfressener Brokat; auch der alte Thron, der zur Wand gekehrte Lehnstuhl stand da und wartete vergeblich auf den Papst, der nie mehr kommen würde. Nur der neben diesem Thron errichtete, improvisirte Altar veränderte ein wenig das Aussehen des Raumes, aus dem man die wenigen Möbel, Stühle, Tische und Konsolen, entfernt hatte. In der Mitte hatte man auf einer niedrigen Stufe das Prunklager aufgestellt, auf dem Benedetta und Dario unter einer Masse von Blumen gebettet waren. Zu Häupten des Bettes brannten bloß zwei Kerzen, je eine an jeder Seite. Sonst nichts – nichts als Blumen, eine solche Fülle von Blumen, daß man nicht wußte, in welchem chimärischen Garten sie gepflückt worden sein mochten. Besonders waren weiße Rosen gestreut worden. Rosensträuße lagen auf dem Bette, Rosensträuße stürzten von dem Bette herab, Rosensträuße bedeckten die Stufe und strömten von der Stufe hinab bis auf die prächtigen Fliesen des Saales.
    Pierre hatte sich dem Bette genähert; eine tiefe Bewegung erschütterte sein Herz. Diese zwei Kerzen, deren kleine, gelbe Flamme das blasse Tageslicht halb dämpfte, diese fortwährenden, leise klagenden Töne der daneben abgehaltenen Messe, dieser durchdringende, die Luft schwer machende Rosenduft erfüllten den großen, veralteten, staubigen Saal mit unendlicher Angst, mit einer grenzenlosen Trauerklage. Und keine Bewegung, kein Hauch war zu hören – nichts anderes als von Zeit zu Zeit ein leises Geräusch von unterdrücktem Schluchzen unter den wenigen Anwesenden. Die Bedienten des Hauses lösten sich unablässig ab; stets standen vier unbeweglich, wie treue, vertraute Wächter zu Häupten des Bettes. Von Zeit zu Zeit ging der Konsistorialanwalt Morano, der sich seit dem Morgen mit allem beschäftigte, eilig und leisen Schrittes durch das Gemach, und auf der Stufe knieten alle Eintretenden nieder, weinten und beteten. Pierre bemerkte dort drei Damen, die das Gesicht ins Taschentuch gedrückt hielten. Auch ein alter Priester befand sich dort, dessen Gesicht man nicht unterscheiden konnte; er zitterte vor Schmerz und hielt den Kopf gesenkt. Besonders aber rührte ihn der Anblick eines ärmlich gekleideten, jungen Mädchens, das er für eine Dienerin hielt; der Schmerz hatte sie derart auf die Fliesen niedergeworfen, daß sie nur mehr wie ein Bündel Elend und Leid dort lag.
    Nun kniete er ebenfalls nieder und bemühte sich, während des berufsmäßigen Stammelns der Lippen die lateinischen Worte der heiligen Gebete wiederzufinden, die er so oft als Priester am Lager der Toten gesprochen hatte. Seine zunehmende Erregung verwirrte sein Gedächtnis; er versank in den herrlichen und schrecklichen Anblick der beiden Liebenden, von denen seine Blicke nicht lassen konnten. Unter der Rosenfülle zeichneten sich die umschlungenen Körper kaum ab, aber die bis zum Halse von dem seidenen Schweißtuch eingeschlossenen Köpfe tauchten daraus auf. Und wie schön waren sie noch, wie sie da, ihre Haare mit einander vermengend, beide auf demselben Kissen lagen! Es war die Schönheit der endlich befriedigten Leidenschaft. Benedetta, bis in Ewigkeit liebend und getreu, verzückt, weil sie ihren letzten Odem in einem Liebeskuß ausgehaucht, hatte ihr göttlich lachendes Gesicht behalten. Dario sah, trotz seiner letzten Freude, schmerzlicher aus – wie der Marmor der Leichensteine, die die Liebenden vergeblich umfassen. Und ihre Augen, die tief in einander tauchten, standen noch weit offen und fuhren fort, sich endlos, mit einer sanften Liebkosung anzusehen, die niemals mehr gestört werden sollte.
    O Gott, war es also wahr, daß er diese Benedetta geliebt, mit einer so reinen, von jedem selbstsüchtigen Gedanken freien Liebe geliebt hatte? Und die köstlichen Stunden, die er in ihrer Nähe, in einem erlesenen Freundschaftsbunde verlebt hatte, der so süß war wie Liebe, bewegten Pierre bis in die tiefste Seele. Sie war so schön, so klug, so voll brennender Leidenschaft! Er selbst hatte einen so schönen Traum geträumt: seine befreiende Bruderliebe sollte dieses wunderbare Geschöpf mit der Feuerseele und dem lässigen Gehaben beleben; er sah in ihr das ganze alte Rom, das er für das Italien von morgen wecken und erobern hätte mögen. Er träumte davon, sie zu belehren, ihr durch die Liebe zu den Armen und Kleinen,

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