Rom - Band III
Geister, und demzufolge haben eure Kardinäle, mittelmäßige Köpfe, hier gar keinen Einfluß, spielen sie hier gar keine Rolle. Ach, was für eine traurige Figur werdet ihr bei dem nächsten Konklave spielen! Warum behandelt ihr also die Jesuiten, die in der Politik eure Freunde sind, mit einem so albernen, so blinden Haß? Warum benützt ihr nicht ihren intelligenten Eifer, der euch zu dienen bereit ist, so daß ihr euch der Hilfe des Papstes von morgen versichert? Ihr braucht sie; er muß bei euch das Werk Leos XIII. fortsetzen, dieses Werk, das so schlecht beurteilt, so bekämpft wird, das sich wenig um kleine, zeitliche Ergebnisse kümmert, das vor allem für die Zukunft, für die Vereinigung aller Völker in ihrer heiligen Mutter, der Kirche, arbeitet ... Sagen Sie das dem Kardinal Bergerot, sagen Sie ihm, daß er mit uns sein soll, daß er für sein Land arbeitet, in dem er für uns arbeitet. Der Papst von morgen! Aber darin liegt ja alles! Wehe Frankreich, wenn es nicht in dem Papste von morgen einen Fortsetzer Leos XIII. findet!«
Er hatte sich abermals erhoben, und diesmal ging er wirklich. Noch nie hatte er sich in dieser Weise, so lange ausgelassen. Aber sicherlich hatte er nur das gesagt, was er sagen wollte, und zwar zu einem Zweck, den er allein kannte; man fühlte, daß jedes seiner mit fester Langsamkeit und Milde gesprochenen Worte gereift, im voraus erwogen war.
»Adieu, mein lieber Sohn! Und nochmals, denken Sie über alles nach, was Sie in Rom gesehen und gehört haben; seien Sie recht vernünftig, verderben Sie Ihr Leben nicht.«
Pierre verneigte sich und drückte die kleine, fette und geschmeidige Hand, die der Prälat ihm reichte.
»Ich danke Monsignore nochmals für die bewiesene Güte und seien Monsignore überzeugt, daß ich nichts von meiner Reise vergessen werde.«
Er sah ihm nach, wie er in seiner seinen Sutane, mit seinem leichten, erobernden Schritt, der allen Siegen der Zukunft entgegen zu gehen glaubte, verschwand. Nein, nein, er würde nichts von seiner Reise vergessen! Er kannte jetzt diese Vereinigung aller Völker in ihrer heiligen Mutter, der Kirche, diese weltliche Knechtschaft, bei der das Gesetz Christi die Diktatur des Augustus, des Herrn der Welt ward. Und er zweifelte gar nicht, daß die Jesuiten Frankreich liebten – die älteste Tochter der Kirche, die einzige, die ihrer Mutter noch zur Wiedereroberung des Weltreiches verhelfen konnte; aber sie liebten sie, wie die schwarzen Heuschreckenschwärme die Felder lieben, auf die sie sich herabstürzen, die sie verzehren. Eine unendliche Trauer war wieder in sein Herz gezogen, denn er hatte das dumpfe Gefühl, daß in diesem alten, vernichteten Palast, in dieser Trauer und in diesem Zusammenbruch sie, wieder sie es waren, die die Schöpfer des Schmerzes und Unglücks sein mußten.
Just in diesem Augenblick bemerkte er, als er sich umdrehte, Don Vigilio, der vor dem großen Porträt des Kardinals an der Kredenz lehnte; er hielt das Gesicht in die Hände gedrückt, als wolle er für ewig verschwinden, vergehen, und alle seine Glieder zitterten, ebenso vor Furcht wie vor Fieber. In einem Augenblick, da keine Besucher mehr erschienen, war er einem Anfall entsetzter Verzweiflung erlegen und gab sich ihm ganz hin.
»Mein Gott, was ist Ihnen?« fragte Pierre, indem er näher trat. »Sind Sie krank? Kann ich Ihnen helfen?«
Aber Don Vigilio verstopfte sich die Augen, stotterte erstickend etwas hinter seinen zusammengepreßten Händen und gab nur seinen unterdrückten Schreckensschrei von sich:
»O, Paparelli, Paparelli!«
»Wie? Was hat er Ihnen gethan?« fragte der Priester erstaunt.
Da nahm der Sekretär die Hände vom Gesicht und gab abermals dem zitternden Bedürfnis nach, sich jemand anzuvertrauen.
»Wie, was er mir gethan hat? ... Ja, fühlen Sie denn nichts, sehen Sie denn nichts? Haben Sie bemerkt, wie er sich des Kardinals Sanguinetti bemächtigte, um ihn zu Seiner Eminenz zu führen? Welche freche Kühnheit! In einem solchen Augenblick Seiner Eminenz diesen verwünschten Nebenbuhler aufzudrängen! Und haben Sie gesehen, mit was für einer bösen Tücke er ein paar Minuten zuvor eine alte Dame hinauskomplimentirte – eine sehr alte Freundin, die Seiner Eminenz bloß die Hand küssen wollte? Seine Eminenz wäre über dies bißchen wahre Liebe so glücklich gewesen! ... Ich sage Ihnen, er ist der Herr hier, er öffnet oder schließt die Thür je nach seinem Belieben, er hält uns alle zwischen den Fingern, wie
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