Roman
Kandidat.
In dem Moment, als ich die tiefschürfende Analyse meines Zielobjekts abschloss, lachte es über etwas, was sein Gesprächspartner gesagt hatte, bewegte den Kopf, sah mich und machte keine Anstalten, wieder wegzuschauen.
»Mist, er hat gesehen, wie ich ihn angestarrt habe!«, zischte ich.
Meine angebliche Freundin verdrehte die Augen. »Oh nein! Jetzt merkt er vielleicht, dass er dir gefällt, und vielleicht kommt er sogar zu uns rüber und fordert dich zum Tanzen auf. Wie grauenvoll!« Der Sarkasmus triefte aus jedem einzelnen ihrer Worte.
»Du bist mir echt keine Hilfe«, antwortete ich sauer und spürte, wie sich meine Zehennägel vor Verlegenheit krümmten.
Man konnte mich hinter irgendeinen Typen stellen, mir einen Kamm und eine Schere geben, und ich hatte keine Probleme. Stellte man mich im Wonderbra in einen Club und gab mir eine Bloody Mary, katapultierte ich mich bis ans obere Ende der Peinlichkeitsskala.
Es war einfach lächerlich.
Der Typ beugte sich vor und flüsterte seinem Freund etwas ins Ohr, und dieser sah in unsere Richtung. Dann bewegte sich Mr. Schnuckelig auf uns zu.
»Lizzy, dreh dich jetzt bloß nicht um! Die zwei kommen auf uns zu.«
»Warum darf ich mich nicht umdrehen?«
»Weil er dann deinen Bauch sieht und die Flucht ergreift.«
»Okay, stimmt. Ich verstecke ihn, bis sie den Kurs nicht mehr ändern können.«
»Hallo, kennen wir uns nicht?«
Die Situation verwirrte mich kurzfristig. Mr. Schnuckelig mit dem dunklen Hemd war noch mindestens fünf Meter entfernt, und ich hörte gerade den ältesten Anmachspruch seit Menschengedenken.
»Hinter dir.«
Lizzy zeigte über meine Schulter. Ich drehte mich um und sah einen ziemlich großen Typen in schwarzem Anzug und weißem Hemd mit offenem Kragen. Sein blondes Haar reichte ihm hinten bis zum Kragen, an den Seiten war es etwas kürzer und nach hinten frisiert. Er hatte einen kantigen Unterkiefer mit ein paar Bartstoppeln, die ihm etwas Verwegenes gaben.
»Wie bitte?«, fragte ich zurück.
»Kennen wir uns …?«
»Den Satz habe ich verstanden. Nein, ich glaube nicht.«
Lieber Himmel, war das alles? Als Nächstes folgte sicher ein »Kommst du öfter hierher?«, und dann mussten wir ihn wegen Verstoßes gegen die Grundregeln origineller Anmache melden.
»Doch, ganz bestimmt«, fuhr er fort.
Ich spürte, dass ich sauer wurde. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass der Typ von der anderen Seite der Bar gemerkt hatte, dass ich mich mit einem anderen unterhielt, und stehen blieb. Neiiiiin! Bitte bleib nicht stehen! Bitte komm rüber! Bitte bleib nicht stehen!
»Du bist doch das Mädchen aus dem Friseurladen.«
Vage kam mir der Gedanke, dass es sich vielleicht nicht um eine leere Anmache handelte, aber ich war viel zu sehr mit meiner entgangenen Gelegenheit beschäftigt, um zu antworten. Aufs Stichwort zuckte der andere mit den Schultern, drehte sich um und steuerte zurück.
Na super! Zum ersten Mal seit Monaten registrieren meine Eierstöcke ein leises Beben, und die Operation wurde vereitelt, noch ehe sie so richtig in Fahrt kommen konnte.
»Aus dem Salon in Weirbank.«
Redete der immer noch?
Es blieb mir keine andere Wahl, als darauf einzugehen.
»Wie bitte? Eh … ja, ich arbeite da, aber ich glaube trotzdem nicht, dass wir uns kennen.«
Selbst im düsteren Licht des Clubs konnte ich sehen, dass seine Augen funkelten. Wie süß! Sie waren blau. Nein, warte, grün. Nein, blau. Grün. Konnte nicht mal jemand diese blöden Lichtorgeln ausmachen, damit ich ihn anständig sehen konnte? Er beugte sich noch weiter vor. Nicht wie einer, der einem unangenehm zu nahe kam, sondern irgendwie nett.
»Ich war damals bei der Eröffnung. Es war … eh … ziemlich aufregend.«
In diesem Moment breitete sich das möglicherweise unwiderstehlichste Lächeln, das ich je gesehen hatte, in seinem Gesicht aus.
Zwei Dinge passierten gleichzeitig. Meine verräterischen Brüste pirschten sich vor, und in meinem Kopf meldete sich eine Stimme, die sagte: »Oh, du gehörst mir!« Houston, fertig zum Take-off.
»Ich war mit Dan da. Dan Hodges.«
Mission abbrechen! Mission abbrechen!
»Ah«, lautete meine durchdachte, eloquente Antwort.
»Ich glaube, damals warst du mit ihm zusammen.«
Leugnen war sinnlos.
»Ja. Bis zu der Stelle, als er umgenietet wurde. Ich schätze, in zwanzig Jahren werde ich diese Peinlichkeit verarbeitet haben. Es sei denn, ich werde vorher vom Zug überfahren und verliere mein Gedächtnis.«
Was redete ich da?
Weitere Kostenlose Bücher