Roman
würde meine Prioritäten neu ordnen und wieder alles in den Griff bekommen.
Ein lautes Klirren unterbrach mich in meinen Gedanken. Ich schaute auf. Marc klopfte mit einem Löffel an sein Glas. Es war genau Mitternacht.
»Eine kurze Warnung wäre nicht schlecht gewesen«, zischte Avril und warf ihr Handy auf den Tisch. »Der Typ hätte fast einen Herzinfarkt gekriegt und aufgehängt, ehe es an die kitzlige Stelle kam.«
»Manchmal fällt es mir schwer, meinen Stolz auf meine Kinder zu verbergen«, murmelte Josie und erntete dafür einen bösen Blick ihrer Tochter.
Marc räusperte sich und stand auf. Ein Chor aus Applaus und Pfiffen brandete auf.
»Erst mal möchte ich mich bei euch allen dafür bedanken, dass ihr gekommen seid, um Lous Geburtstag mit uns zu feiern.«
Noch mehr Pfiffe.
»Und Josie, danke, dass du das mit heute Abend geheim gehalten hast!«
Josie verbeugte sich grinsend. Für eine Klatschtante wie sie musste es unendliche Qualen bedeutet haben, den Mund zu halten. Morgen früh, wenn mein neues Leben begann, würde ich als Erstes mit Croissants, Kaffee und einer großen Schachtel Karamellwaffeln zu ihr gehen. Wir hatten einiges nachzuholen.
»Und dann würde ich gern noch ein paar Worte zu Lou sagen.«
Ah, wie süß! Aber er konnte jetzt ruhig aufhören, denn alle starrten mich an, und ich hasste es, so im Mittelpunkt zu stehen. Total. Fast so sehr, wie Ginger öffentliche Liebesbekundungen hasste.
»Wir sind jetzt seit etwas über einem Jahr zusammen, und es war echt das beste Jahr meines Lebens.«
»Oh Gott, ich fang gleich an zu heulen!«
Das war Josie. Neben mir verdrehte Ginger die Augen.
»Lou, du bist intelligent und schön und die beste Freundin, die man sich nur wünschen kann …«
Nein, bin ich nicht! Ganz und gar nicht! Lizzy war fast auf dem verdammten Eiger, und ich habe nichts davon gemerkt.
»… und ich liebe dich.«
Ich war in letzter Zeit echt mies. Wirklich, wirklich mies. Aber ab sofort würde ich das ändern.
»Und deshalb …«
Himmel, er redete ja immer noch! Wurde er denn nie fertig?
»Lou Cairney …«
Was? Was denn noch? Mein Verstand spulte einen eigenen Kommentar zur Situation ab, und ich schaffte es nicht mehr, ihn auszuschalten. Diese Wirkung hatte Sekt immer bei mir.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Darling!«
Oh, danke! Das ist echt süß. Jetzt setz dich endlich, ehe Ginger dich mit Grissini-Stangen bewirft.
Rico stand plötzlich mit einem schuhschachtelähnlichen Paket neben ihm. Marc nahm es und schob es mir quer über den Tisch zu.
Ein Geschenk! Und ich wusste genau, was es war. Seit Wochen hatte ich Hinweise auf die silbernen Riemchensandaletten fallen lassen, die wir letztens zusammen in der Stadt gesehen hatten. Offenbar hatte er gut zugehört.
Vielleicht war es doch gar nicht so übel, im Mittelpunkt zu stehen. Ich riss das pinkfarbene Papier herunter, hob den Deckel hoch und hielt die Luft an. Okay, es waren nicht die silbernen, sondern die schwarzen. Marc hatte recht gehabt, als er gesagt hatte, sie würden zu viel mehr Outfits passen als die silbernen.
Sie waren superschön. Ich hatte Riesenglück. Und ich würde sie sofort anziehen. Da mich immer noch alle anstarrten, würde es eine echte Erholung sein, kurz unter dem Tisch zu verschwinden und die Schuhe zu wechseln.
Ich streifte meine Schuhe ab und zog die neuen Sandaletten aus der Schachtel. Gerade als ich in der Versenkung verschwinden wollte, sah ich den Charm-Anhänger. Er war an einem der Lederriemchen befestigt, ein wunderschönes Silberteil mit einem funkelnden Kristallstein in der …
»Lou.«
Marcs Stimme klang definitiv ernster als sonst. Hatte Ginger ihm gegen das Schienbein getreten? Und würden bitte endlich alle aufhören, mich so anzustarren?
»Lou«, wiederholte er, und jetzt sah ich, dass er den Blick auf die Sandalette mit dem Anhänger gerichtet hatte. Dann sah er mich an. Dann wieder den Anhänger. Mich. Den Anhänger. Mich.
Ich kapierte es als Allerletzte am Tisch. Es war gar kein Anhänger.
»Willst du mich heiraten?«
Lous Lektionen für Cassie, wenn sie neunundzwanzig Jahre alt ist
Liebe Cassie,
ich könnte schon anfangen loszuheulen, wenn ich nur daran denke. Es könnte also gut sein, dass ich beim Schreiben zwischendurch eine Pause machen muss, um mich zu sammeln. Oder zu weinen. Oder mich in einen dunklen Raum zu legen. Oder »Hochzeitskleid« zu googeln und mir dann vorzustellen, wie hübsch du darin aussehen würdest. Bis du heiratest,
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