Roman
recht. Seit zwei Jahren erwähnte er immer mal wieder im Nebensatz, dass wir endlich einen Termin finden und heiraten sollten, und ich fand ebenfalls im Nebensatz immer wieder Gründe, es noch aufzuschieben.
Die Wahrheit war, dass mich diese ganze Idee mit der Hochzeit fast genauso in Panik versetzte wie die Aussicht vom sechsundachtzigsten Stockwerk einer New Yorker Touristenattraktion. Ich liebte Marc. Wirklich. Er war witzig und klug und abgesehen davon überaus sexy. Der Typ war ein echtes Schnäppchen. Und trotzdem … trotzdem was? Was war denn nur los mit mir? Wieso erfüllte mich die Vorstellung, ihn zu heiraten, irgendjemanden zu heiraten, so mit Grauen? Er hätte das Geld für den Hochzeitsring sparen und mir stattdessen Therapiestunden finanzieren sollen.
Mein Blick wanderte von meinen Füßen zu seinem Gesicht, seinem attraktiven, hoffnungsvollen, perfekten Gesicht.
»Und?«, fragte er.
Ich konnte das nicht. Es ging zu schnell. Ich hasste Überraschungen. Ich war verunsichert. Hilflos. Ich brauchte Zeit, um darüber nachzudenken. Wie sollte ich innerhalb von vierundzwanzig Stunden heiraten? Ich hatte kein Kleid. Keine Schuhe. Und meine Nägel! Meine Nägel sahen aus, als hätten kleine Nagetiere daran geknabbert. Ich konnte unmöglich mit abgekauten Nägeln heiraten. Und ich würde nicht ohne die Menschen heiraten, die mir wichtig waren. Marc konnte Josie unmöglich nach meiner Geburtsurkunde gefragt haben, denn wenn sie gewusst hätte, dass ich hier in New York heiratete, hätte sie in dem Moment hinter dem T-Shirt-Stand gehockt und wäre zusammen mit ihrer neuen japanischen Freundin vor Aufregung fast geplatzt.
Nein, es war ausgeschlossen. Ich musste Nein sagen. Ich würde ihn schrecklich enttäuschen, aber er würde schon darüber hinwegkommen. Vielleicht konnten wir die Hochzeit ja gemeinsam planen, sobald wir wieder zu Haue waren. Daran arbeiten. Schritt für Schritt. Ganz langsam.
»Lou«, begann er, und ich hörte nun einen Hauch von Ungeduld in seiner Stimme. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, ohne zu merken, was er tat. Es war eine der kleinen Angewohnheiten, die ich an ihm so liebte. »Lou, komm schon! Sag Ja!«
Im nächsten Moment schossen mir die Tränen in die Augen. Er hatte recht. Ich liebte ihn. Er liebte mich. Ich wollte mit keinem anderen zusammen sein. Und wenn ich jetzt überfordert war, lag das nur an meiner angeborenen Abneigung gegen die Ehe. Es hatte nichts mit Marc zu tun. Vielleicht sollten wir es tatsächlich einfach tun. Es könnte funktionieren. Andere schafften es doch auch. Lizzy und Ben zum Beispiel. Oder Ginger und Ike.
Marc und ich würden zusammen glücklich werden. Ganz sicher. Es bedeutete ihm eine Menge. Er war eben konservativ und wünschte sich eine richtige Ehe. Auch wenn er seine Braut in schwindelnder Höhe dazu überreden musste.
Vielleicht war es genau das, was ich brauchte. Vielleicht musste ich ins kalte Wasser geworfen werden. Ich wusste, ich sollte mir nichts vormachen. Ganz langsam? Schritt für Schritt? Dann würde ich es niemals tun. Ich würde weiter ständig irgendwelche Ausflüchte erfinden, und irgendwann würde er die Geduld verlieren. Eine schreckliche Erkenntnis traf mich – ich würde ihn verlieren. Eines Tages würde er genug von mir haben und mich verlassen, und ich konnte es ihm nicht mal übel nehmen. Er wollte einen Beweis dafür, dass ich es ernst meinte.
Er wollte eine echte Bindung.
Ich wischte die Träne fort, dir mir über die Wange lief.
Bindung.
Ich würde niemals mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug springen oder mich von einem Felsen abseilen, aber das hier konnte ich schaffen.
Marc hatte recht. Ich musste es tun. Ich musste mich endlich binden.
»Also gut.« Ich atmete tief aus und nickte gleichzeitig. Vermutlich gab es nur wenige Menschen, die einen Heiratsantrag auf diese Weise annahmen, aber ich machte kleine Schrittchen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich; seine Augen leuchteten, als er begriff, was das bedeutete.
»Also gut, Mr. Cheyne, wir machen es.«
Vor wenigen Minuten, da draußen an der Aussichtsplattform, hatte ich geglaubt, dass es unmöglich sei, noch mehr Angst zu haben.
Ich hatte mich geirrt.
Lektion 79
Ich will jetzt wirklich nicht auf New Age und Spiritualismus machen, aber manchmal muss man einfach auf sein Schicksal vertrauen
Das war er also. Der große Tag. Der Augenblick, von dem kleine Mädchen träumen und den sie bis auf die kleinste Kleinigkeit planen und einüben.
»Lou,
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