Roman
nicht. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich gleich reanimiert werden musste.
»Hör zu, Marc, es tut mir leid, aber diese Höhe …«
»Ich meine nicht die Aussichtsplattform hier«, entgegnete er. »Ich meine uns.«
Oh Mist! Eine Beziehungsdiskussion in dreihundertzwanzig Metern Höhe. Super. Könnte mich vielleicht jemand erschießen?
»Marc, was verlangst du von mir? Was immer es ist, kannst du es mir bitte sagen, wenn wir wieder festen Boden unter den Füßen haben?«
Ich schwitzte. Um nicht zu sagen: Der Schweiß lief mir in Sturzbächen über das Gesicht. Was war nur los mit ihm? Er war doch sonst nicht so unsensibel. Okay, er war ein Alpha-Mann, und es war unwahrscheinlich, dass er in Kürze Kontakt zu seiner emotionalen Ebene finden würde, aber das hier grenzte an psychologische Folter.
»Na ja, ich hatte einfach eine ganz bestimmte Vorstellung, wie das hier oben ablaufen sollte.«
Er kramte in der Tasche seiner cremefarbenen Chino Jeans. Folter hin oder her, ich fand, dass er heute besonders süß aussah. Ein bisschen zu elegant vielleicht – was nicht so recht zu meinen hautengen Jeans, dem Guns N’ Roses -Shirt und den Uggs passte –, aber sein knackiger Hintern und die breiten Schultern gaben ihm was von einem amerikanischen Sportler. Wenn ich nicht so nah am Abgrund stünde, würde ich glatt eine Siesta im Hotel erwägen – mit allem Drum und Dran.
»Das hier ist für dich.«
Als er die Ringschachtel herauszog, applaudierten spontan zwölf Japaner, und plötzlich klickten ein Dutzend Kameras.
Gott, ich halluzinierte. Ich sah Marc vor mir stehen, mit einem Ring in der Hand. So begann der Irrsinn – und ich war nicht sicher, ob er oder ich den Faden verloren hatte.
Ich sah ihn misstrauisch an. »Haben wir diesen Teil nicht schon hinter uns?«
»Sagen Ja. Sagen Ja. Ist gute Ring.«
Eine zierliche Orientalin, die sich einfach in meine Privatsphäre drängte, gab mir lebenswichtige Ratschläge.
Marc griff nach meiner Hand und zog mich zurück ins Innere des Gebäudes. Meine Herzfrequenz fiel von »explosiv« auf »leicht hysterisch«.
»Lou, das ist kein Verlobungsring.«
Ooohhh! Dann war es also nur ein Geschenk. Ein kleines Zeichen seiner dreijährigen Zuneigung.
»Es ist ein Ehering.«
Es ist ein Ehering. Ausgerechnet jetzt. Ein Ehering. Mein Herzschlag katapultierte wieder zurück auf »explosiv«.
»Ich dachte, wir könnten gleich hier heiraten. Ehrlich gesagt, hatte ich es als Riesenüberraschung geplant …«
Dieser Teil des Satzes war gesponsert von der Vereinigung verdammt großer, blöder Missverständnisse.
»… aber dann wurde mir gesagt, dass wir uns erst anmelden und danach vierundzwanzig Stunden warten müssen, ehe wir getraut werden können.«
Es dauerte ein paar Sekunden, ehe mir auffiel, dass sich mein Mund öffnete und schloss und nur ein verstörtes Gebrabbel ausstieß.
»Tja, das war natürlich eine gute Idee, aber ich habe meine Geburtsurkunde nicht dabei, daher können wir gar nicht heiraten, und außerdem sind unsere Freunde gar nicht hier, und es wäre doch ziemlich schade, und …« Die letzten Worte blieben irgendwie auf der Strecke, weil mir die Luft knapp wurde.
Marc schaute mich jetzt ziemlich ernst an. Wieso hatte ich das Gefühl, dass ich etwas Falsches gesagt hatte? Hatte ich was verpasst? Und bildete die kleine Japanerin sich tatsächlich ein, ich würde nicht sehen, dass sie hinter dem Verkaufsstand mit den I- Y - NY -Shirts stand und lauschte?
»Ich habe deine Geburtsurkunde mitgebracht.«
Woher zum Teufel hatte er die denn?
»Josie hat sie mir besorgt.«
Ah, die Königin der Kleptomanen hatte wieder einmal zugeschlagen.
»Und ich hab mir überlegt, dass wir uns heute anmelden und uns dann morgen im Bootshaus im Central Park trauen lassen könnten. Ich hab extra ein Zeitfenster für uns blocken lassen.«
»Ein Zeitfenster blocken lassen.«
Ja, mir war klar, dass ich den Satz wiederholte, während mein Verstand verzweifelt versuchte, ihn zu verarbeiten.
»Lou, ich möchte dich gern heiraten. Ich weiß, du hast Angst …«
Panik.
»… aber ich weiß auch, dass du mich liebst und dass wir füreinander bestimmt sind. Es gibt keinen Grund, es länger aufzuschieben. Heirate mich. Morgen. Im Bootshaus.«
Jetzt wusste ich, wie sich Menschen im Belagerungszustand fühlten, ehe die Guten hereinstürmten und die Bösen erledigten. Allerdings hatte ich das ungute Gefühl, unter Beschuss der eigenen Leute zu geraten.
Er hatte natürlich
Weitere Kostenlose Bücher