Roman
küsste ihn und dachte, dass es einfach nicht besser werden könnte. Nichts war schöner als das Gefühl seiner Hand in meinen Haaren. Doch nach einiger Zeit musste ich dem Schmerz nachgeben, der von der unnatürlichen Verbiegung meiner Wirbelsäule kam. Ich setzte mich auf und erwiderte seine Zärtlichkeiten, indem ich die Konturen seines Gesichts mit dem Finger nachzeichnete.
»Hm, das ist gut«, murmelte er. »Aber du hast deine Geschichte noch gar nicht zu Ende erzählt.«
»Welche Geschichte?«
»Über deine Beinahehochzeit. Wieso bist du damals weggelaufen?«
Zum ersten Mal seit langem dachte ich darüber nach. »Ich konnte es einfach nicht. Versteh mich nicht falsch. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als hier in New York zu heiraten, aber er war einfach nicht der Richtige. Marc hatte ganz bestimmte Vorstellungen davon, wie ich sein sollte, und die passten einfach nicht zu dem, wie ich wirklich war. Gibt das einen Sinn?«
Er blinzelte in die Sonne. »Klar. Meine letzte Freundin hat in mir immer Brad Pitt gesehen. Als sie irgendwann die Wahrheit erkannt hat, war sie völlig geschockt.«
Hatte ich schon erwähnt, dass mein Superheld seine Grenzen hatte? Wir würden an seiner Fähigkeit für emotionale Tiefe und angemessene Antworten in Momenten, in denen Sensibilität gefordert war, noch arbeiten müssen. Ich kehrte zu meiner Geschichte zurück und beschränkte mich dieses Mal auf den praktischen Teil. Darin war er besser.
»Davon abgesehen waren Josie, Lizzy und Ginger nicht hier, und ich konnte doch nicht ohne sie heiraten.«
Er sagte so lange gar nichts, bis ich dachte, er wäre wieder eingenickt.
»Also, wenn sie hier wären, würdest du mich … sagen wir mal … heiraten?«
Der Spaßvogel. Na, das Spiel beherrschte ich auch.
»Na klar! Ich wollte schon immer einen Superhelden heiraten, und Spider-Man schleicht nachts immer durch die Gegend. Keine Ahnung, was er vorhat.«
»Er hat wilden Sex mit Superwoman.«
»Aha, das erklärt natürlich alles.«
Die beiden dicken Spanierinnen vollzogen ein Wendemanöver, das damit endete, dass sie unser Boot so heftig rammten, dass es bedenklich anfing zu schaukeln. Es half nicht, dass eine von ihnen völlig hysterisch wurde.
»Ich hab dir gleich gesagt, dass wir einen Mann mitnehmen sollten«, kreischte sie. »Zwei Frauen in einem Boot, das kann doch nicht gutgehen. Jetzt fahren wir schon eine Stunde lang nur im Kreis rum.«
»Sollen wir Sie abschleppen?«, bot ich.
»Ja, bitte«, rief die Hysterische erleichtert.
Red setzte sich auf und nahm sich der Sache an. »Geben Sie mir das Ende Ihres Ruders«, forderte er sie auf. Er nahm es, benutzte seinen Schal, um es an unserem Boot zu befestigen, und paddelte uns alle sicher an Land.
Ja, das war der Typ, in den ich mich verliebt hatte, und zum ersten Mal wusste ich … ich wusste, dass er mir nie wehtun würde. Ich wusste, dass er nie versuchen würde, mich zu ändern. Ich wusste, dass wir eine gleichberechtigte Beziehung hatten. Ich wusste, dass er mich nie belügen würde.
Wenige Tage später sollte sich herausstellen, dass eine dieser Annahmen falsch war.
Lektion 99
Vertraue niemandem zu hundert Prozent – halte dir aus Gründen der Selbsterhaltung immer ein Hintertürchen offen
Das Geräusch einer zuschlagenden Tür weckte mich. Ich richtete mich auf und rieb mir die Augen.
»Morgen, Süßer. Wo warst du?«
»Joggen«, antwortete Red.
Dabei war es ziemlich offensichtlich. Er hatte sich ein Handtuch um den Hals geschlungen, und das hellblaue T-Shirt klebte an seinem muskulösen Körper.
Ich sah ihn misstrauisch an. »Gestern Abend warst du auch schon laufen? Triffst du dich heimlich mit anderen Frauen?«
»Genau.« Er grinste. »Mit den beiden aus dem Boot.« Ich zog mir die Decke über den Kopf, um das Bild loszuwerden, das vor meinem geistigen Auge entstanden war.
»Was hältst du davon, wenn wir heute ins Yankee-Stadion fahren«, schlug Red vor. »Dort finden regelmäßig Führungen statt. Ich würde die Rezeption bitten, einen Termin für uns zu buchen. Oder hast du eine bessere Idee?«
»Allerdings. Im Bett bleiben, den Zimmerservice kommen lassen und Cheers -Wiederholungen anschauen.«
Aus meiner Position unter der Bettdecke angelte ich nach der Fernbedienung und begann durch die Kanäle zu zappen. Das amerikanische Fernsehen war einfach göttlich. Zu Hause hatten wir vier mickrige Sender; und hier gab es so viel mehr Auswahl und eine süchtig machende Mischung aus Filmen,
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