Roman
Mund, bekomme aber keinen Ton heraus.
»Lass mich von dir trinken!«, knurrt Shane. Seine Augen sind so glasig wie die eines Junkies. »Niemand wird die Bissmale da unten zu Gesicht bekommen.«
Eine zweite Welle aus Schmerz verwandelt meine Angst in blinde, alles überwindende Wut. »Das tut scheiße weh, verdammt! Mach, dass du rauskommst! Verschwinde!«
»Bitte …« Shane kriecht über meine Beine das Bett hoch. »Das war so wunderbar, wie du geschmeckt hast, als du …«
»Nein!« Ich versetze ihm einen Schlag ins Gesicht.
Er stürzt sich auf mich, schneller als ich in der Lage bin, die Bewegung wahrzunehmen. Er packt mich an den Armen und nagelt mich auf dem Bett unter sich fest.
Sein Gesicht schwebt keine Handbreit über meinem, sein Unterkiefer zittert, wie bei einem Tier sind seine Nüstern gebläht. »Das … hilft … nicht!«
Bescheuert, unglaublich dämlich – ich habe ein wildes Tier gereizt. Meine Gedanken rasen; mein Verstand sucht wie wild nach Verhaltensregeln aggressiven Hunden gegenüber. Das ist das Einzige, worauf ich jetzt Bezug nehmen kann. Mein Leben hängt davon ab.
Ich zwinge mich dazu, nicht mehr gegen ihn anzukämpfen. Mein Blick verliert sich, geht durch Shane hindurch, an ihm vorbei. Ich löse den Blickkontakt.
Ich bin keine Beute, sage ich mir selbst. Ich bin keine Beute.
Shanes Atem klingt wie ein Reibeisen, geht spürbar über meine Haut. Sein Haar hängt ihm in die Augen, aber ich kann fühlen, wie sein Blick sich in meine Augen brennt. Seine Hände zittern, als er sie noch enger um meine Arme schließt.
Ich starre hinauf zur Decke und befehle mit ganzer Willenskraft meinem Herzen, langsamer zu schlagen. Ein warmer Tropfen trifft meine Oberlippe. Ich unterdrücke ein Wimmern, als ich mein eigenes Blut in Shanes Atem rieche.
Endlich lockert sich der Griff, mit dem mich Shane gepackt hält. Er atmet aus, lange, langsam, dann legt er die Stirn an mein Kinn. »Das hat geholfen. Danke.« Er rollt sich mit, wie es scheint, einer Mischung aus Widerstreben und Erleichterung von mir herunter. Seine Fangzähne sind verschwunden.
Ich fange an zu zittern. Das Klimagerät scheint Abertausende von winzigen Eiswürfeln über meine Haut zu jagen. Ich stehe auf, ganz langsam, und suche meine Kleidungsstücke zusammen. Dabei behalte ich Shane unaufhörlich im Auge, ohne ihn direkt anzusehen. Er sitzt auf der anderen Bettkante. In die eine Hand stützt er den Kopf, während er sich mit der anderen und einem Taschentuch das Blut vom Mund wischt. Das Top lasse ich liegen. Stattdessen ziehe ich ein Sweatshirt aus der Kommode.
»Okay.« Ich schlucke trocken, bemühe mich die Wüste, in die sich meine Kehle verwandelt hat, zu benetzen. »Es ist ja nicht so, dass man mich nicht gewarnt hätte.«
»Es tut mir ehrlich leid, dass ich dir wehgetan habe«, sagt Shane mit rauer Stimme.
»Du solltest jetzt besser gehen.« Ehe ich ohnmächtig werde.
»Ich kann nicht glauben, dass ich das getan habe!« Shanes Atem geht schnell. »Ich habe völlig die Kontrolle über mich verloren. Ich schwöre dir, das passiert nicht noch einmal!«
»Nein, wird es nicht.«
Mit zitternden Händen zieht Shane sich das TShirt über. »Bitte, lass mich dir wenigstens helfen, hier alles wieder in Ordnung zu bringen und dich zu verbinden!«
»Das halte ich für keine gute Idee«, sage ich vorsichtig, obwohl ich am liebsten losgebrüllt hätte: Willst du mich jetzt verarschen?!
Shane erhebt sich vom Bett und greift sich sein Flanell-Hemd, das auf dem Boden liegt. Vor einem Stapel mit CD s zögert er, als ob er sie so nicht zurücklassen könne.
»Geh einfach!«, sage ich mit zusammengebissenen Zähnen. Ich reiße die Schlafzimmertür weit auf, um Shane zu drängen, sich mehr zu beeilen. Gott allein weiß, was mit Menschen passiert, die in Anwesenheit von Vampiren in Ohnmacht fallen.
Als er an mir vorbeigeht, bleibt er stehen. Mit eisigem Schrecken frage ich mich, ob er mich jetzt gleich um einen Gutenachtkuss bittet. Stattdessen zieht er ein frisches Taschentuch aus der Tasche und wischt mir sanft über den Bereich zwischen Nase und Oberlippe. Ich bemerke den Blutfleck auf dem Taschentuch, noch ehe Shane es zusammenknüllen und in seiner Faust verbergen kann. Unsere Blicke treffen sich, und ein unangenehmer Schauer läuft mir den Rücken hinunter.
»Verzeih mir bitte!«, sagt Shane.
Ich öffne schon den Mund für eine Erwiderung, aber er unterbricht mich.
»Nicht jetzt gleich.« Er schiebt das Taschentuch zurück
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