Roman
nur so durchhielt; nur so wurde ich nicht verrückt.«
Ich lache leise. Das klingt alles so vertraut. Vielleicht hatte Wayne die ganze Zeit recht, als er sagte, dass Leute, die Listen schreiben, nur verstecken wollen, wie unglücklich sie sind, und ich ihn als Selbsthilfe-Langweiler abstempelte.
»Justine wollte nie das Gleiche tun wie ich; wir gingen in verschiedene Richtungen.«
»Und was für Dinge standen auf deinen Listen?«
»Oh, für eine Weile in London leben, durch Amerika reisen, ein Buch schreiben. Aber dann wurde mir eines Tages klar, dass es nur Traumlisten waren, dass dieses Listenschreiben ein bisschen so war, wie ein Möchtegern-Schriftsteller zu sein, der immer nur davon redet, ein Buch zu schreiben. Es ist nicht dasselbe, wie wenn man es tatsächlich tut. Auf eine Art war es eigentlich ein Segen, dass Justine sich von mir getrennt hat, weil ich allein und mit gebrochenem Herzen endlich die Kraft fand, all die Sachen zu tun.«
»Und dann bist du nach London gezogen und hast angefangen, das Buch zu schreiben?«
»Ja, und ich bin gereist. Ich bin auf diesem alten Blechhaufen letztes Jahr durch Afrika gefahren.«
Ich sehe ihn an. Er hat wieder beide Augen geschlossen, und ich denke darüber nach, wie sehr ich ihn bewundere. Niemals würde ich etwas so Mutiges tun, wie auf einem Motorrad durch Afrika zu fahren. Ich kann kaum durch London fahren, ohne mir einen Leistenbruch zu holen.
»Und? Wirst du dir das Tattoo irgendwann entfernen lassen?«, frage ich.
Er grinst.
»Auf keinen Fall, das ist meine Kriegsnarbe«, erklärt er bestimmt. Dann legt er in einer gespielt dramatischen Geste die Hand auf sein Herz. »Der Schmerz, Caroline, er ist ein Teil von mir.«
Ich kichere. Er öffnet diesmal beide Augen, und langsam breitet sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.
»Außerdem ist sie nicht allein, fürchte ich.« Er zieht sein T-Shirt hoch. Ein kitschiges Herz mit einem Pfeil und dem Namen »Tracey« darauf sitzt auf seiner rechten Hüfte.
»Oh mein Gott!«
»Und das hier …« Er beugt sich vor, und unten auf seinem Rücken entdecke ich noch ein Tattoo: »Christabel«. Auf einer Rolling-Stones-Zunge.
Er lässt das T-Shirt wieder runter und zieht eine Grimasse. »Das bereue ich am meisten.«
Ich schüttele den Kopf und lache ungläubig.
»Was hast du dir denn dabei gedacht? Und ›Christabel‹?! Das klingt, als hättest du sie dir ausgedacht.«
»Wie bitte?« Er lacht. »Ich habe meine Unschuld an Christabel verloren. Sie ging ab wie ein Zäpfchen, diese Christabel.«
Ich stoße ihn am Arm an. »Wayne Campbell!«
»Ernsthaft, wir waren wie Romeo und Julia im richtigen Leben; es war eine zum Scheitern verurteilte Teenager-Liebe. Ich war das mutterlose Straßenkind aus der Sozialwohnung, sie die Tochter eines Anwalts.«
»Mutterlos?«
Er schließt die Augen wieder. »Ja. Meine Mum starb, als ich fünfzehn war. Brustkrebs. Es ist okay, das ist schon lange her.«
Voller Staunen sehe ich ihn an, betrachte sein Gesicht, sehe, wie seine Augen sich unter seinen Lidern bewegen. Wayne ist offensichtlich anders als alle, die ich kenne. Er spricht so offen über seine Gefühle, ist so direkt. Jetzt schäme ich mich, denn meine Mittelklasse-Eltern sind vielleicht nicht ganz richtig im Kopf, aber zumindest leben sie. Was hatte ich schon durchgemacht? Eine Scheidung, keine große Sache. Und doch wirkt Wayne so viel glücklicher als ich, er ist ein intakter, positiver Mensch.
»Wow. Du hast ganz schön was mitgemacht, was?«
Er zuckt mit den Schultern. »Schlimme Dinge passieren eben. Zumindest hatte ich meine Mutter für einen Großteil meiner Kindheit, einen sehr großen Teil.«
Es entsteht eine Pause, und ich merke, dass ich nicht weiter nachbohren sollte. Wenn er mir noch mehr über seine Kindheit erzählen will, dann wird er es tun.
»Und was ist aus dem heißen Feger Christabel geworden?«, frage ich und reiche ihm ein Stück Brot.
»Wir sind durchgebrannt.«
»Du willst mich auf den Arm nehmen.«
»Nein. Ich habe die Schule geschmissen und bin in einen Kibbuz gegangen. Ich wollte aus meinem Leben ausbrechen, sie wollte mit mir zusammen sein, aber ihre Eltern wollten das nicht, weil ich ein kleiner Rüpel war, nicht gut genug für ihr kleines Mädchen, weißt du, und dieser ganze Quatsch. Also sind wir nach Israel abgehauen.«
»Verdammt, gibt es eigentlich irgendetwas, was du noch nicht gemacht hast?«
Aber es ergibt jetzt alles einen Sinn, das Tattoo, dass er die Schule
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