Roman
zu, und ich schloss meine Augen. Für einen ganz furchtbaren Moment wurde es still im Raum.
Rachel trank einen großen Schluck von ihrer selbst gemachten Limonade. Sie war gerade auf einem »Gesundheitstrip«. Natürlich war sie das. Bei ihr gab es keine schmählichen Alkoholexzesse am helllichten Tag.
»Und wer geht dann noch hin?«, erkundigte sie sich fröhlich, während ich noch ein Glas Wein runterstürzte.
»Ich«, antwortete ich.
»Und ich«, sagte Toby.
Lexi rümpfte die Nase. »Das ist nicht gerade ein großer Club. Du hast mir erzählt …«
Ein Blick, der Wasser hätte gefrieren lassen können, brachte sie zum Schweigen. Mein Gott, konnte sie die Buchclub-Sache nicht endlich auf sich beruhen lassen?
Ich wollte gehen, aber ich konnte nicht, also traf ich die vernünftige Führungskraft-Entscheidung, mich noch etwas mehr zu betrinken.
»Also …« Man konnte förmlich die Zahnräder hinter Rachels glatter Stirn rattern sehen, während sie noch mehr Salat servierte. »Dann seid ihr nur noch zu zweit? Nur du und Caroline?«
»Äh, ja.« Toby nickte weise.
»Ja«, murmelte ich lahm. »Ich schätze, so ist es.«
»Und was lest ihr gerade?«, fragte Paul, und das Seeteufel-Stück, das ich gerade geschluckt hatte, drohte, mir wieder hochzukommen. Paul schlug sich wirklich tapfer, er hatte jetzt zwei Gesprächs-Fauxpas in der gleichen Anzahl von Minuten geschafft.
»Weißt du, das ist eine gute Frage.« Rachel versuchte immer noch, ihre fröhliche Lebhaftigkeit zurückzugewinnen. »Als Toby mit dem Buchclub anfing, hat er mir die ganze Zeit davon erzählt. Jetzt kauft er sich, glaube ich, noch nicht mal mehr die Bücher, oder, Tobes? Ich habe den Eindruck, seine Begeisterung schwindet langsam«, fügte sie hinzu und stieß ihn spielerisch an.
Toby zuckte nicht mal zusammen.
»Ich lese die Bücher im Büro, Rach.«
»Und was liest du?«, fragte Rachel. »Komm schon, wie heißt das Buch?«
Und von da an lief alles schief. Auf schreckliche, verzweifelte, tragische Weise schief. Niemand sagte etwas. Ich konnte sehen, dass Shona nach ihrem kurzen Ausflug ins Alibi-Land jede Sekunde hasste, und ich kann nicht sagen, dass ich ihr das übel nahm. Die Zeit stand still. Der Raum drehte sich. Ich inhalierte den Wein förmlich. Immer noch sagte niemand etwas. Dann entdeckte ich das Bücherregal. Die ersehnte Rettung. Ich überflog die Titel. Meine Augen suchten verzweifelt nach etwas, das ich kannte. Irgendetwas, egal, was. Alles verschwamm.
»Fever Pitch! « , rief ich.
»Fever Pitch?« Paul lachte. »Aber das ist ein Buch über Fußball, über Arsenal.«
»Aber ich liebe Arsenal«, behauptete ich. Keine Ahnung, warum.
Alle Augen waren auf mich gerichtet; Lexi war jetzt sehr still.
»Ich weiß, dass die Leute glauben, es wäre nur ein Buch über Fußball«, lallte ich, »aber tatsächlich ist es ein Kultroman unserer Zeit.«
Das war der Moment, in dem Rachel erklärte, dass es sich um eine Autobiografie handelte. Das war der Moment, in dem ich sterben wollte. Das war der Grund, warum ich dann ein völlig neues Level an Betrunkenheit erreichte und warum ich jetzt immer wieder in die Bewusstlosigkeit abgleite.
Vielleicht wäre es nicht so schlimm gewesen, wenn das die einzige Gesprächskatastrophe beim Grillabend on Elm Street gewesen wäre, aber: Oh nein, das war sie nicht.
Ich schiebe meine Schlafmaske auf meine Stirn und öffne ein Auge, um zu sehen, wie spät es ist. Neun Uhr acht. Es ist mehr als zwei Stunden her, dass ich mich zuletzt übergeben habe. Hoffentlich ist das wenigstens vorbei. Vielleicht kann ich mich in einer Stunde schon wieder aufsetzen, ohne dass mir Magensäure hochkommt.
Ich gehe die Ereignisse noch einmal im Kopf durch. Eine Art sadomasochistische Foltersitzung.
1. Die schlechteste Aperitif-Wahl aller Zeiten.
Ich würde gerne sagen, dass alles von dem Moment an schieflief, als Rachel die Sangria herausholte, aber es fing schon viel früher an – als ich Lexi ins Sun in der Altstadt von Clapham zog, um dort vor dem Essen etwas zum »Lockerwerden« zu trinken.
»Geht es dir gut?«, fragte sie und runzelte die Stirn, während sie ihre Cola trank und ich einen Wodka herunterstürzte und dann noch einen bestellte.
»Ja, wieso?«
»Du wirkst nur irgendwie komisch, das ist alles.«
»Komisch?«
»Nervös«, präzisierte sie.
»Nervös?« Ich lachte. Ha, ha, ha! »Nein, ich bin nicht nervös. Aber man kann bei einem Grillabend einfach nicht nüchtern erscheinen, Lex, das weiß
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