Roman
selbstsüchtigen depressiven Typen sich nur dabei, sich einfach vor den Zug zu werfen?« Er zerzaust mir die Haare. »Also, gehen wir kochen wie die Italiener?«
Martin ist gut darin, originelle, interessante Dinge zu planen, die man unternehmen kann. Das war immer einer der vielen Pluspunkte in meiner Beziehung zu ihm. Es gehört zu den Dingen, die ich vermisse. Während die meisten meiner Freundinnen sich darüber beschwerten, dass sie ihre Männer kaum je dazu bringen konnten, sich am Wochenende überhaupt anzuziehen, waren Martin und ich am Samstagmorgen spätestens um zehn Uhr schon auf dem Weg zu der ersten der vielen Aktivitäten des Wochenendes.
Im Laufe von vierzehn Jahren Beziehung habe ich gelernt, Sushi zu machen, einen Hemingway-Cocktail zu mixen, habe im Ritz Tee getrunken und im London Eye zu Mittag gegessen. Ich bin geritten, habe Paintball gespielt und einen Kurs über französische Weine im Vinopolis, dem Londoner Weinmuseum, gemacht. Meistens hat es Spaß gemacht, und er hat das Richtige ausgesucht. (Abgesehen vielleicht von dem nachgestellten viktorianischen Tag – fünf Stunden in einem Stäbchenkorsett hätten mich fast umgebracht.)
Dieses Mal jedoch hat er ganz eindeutig das Kleingedruckte nicht gelesen.
Schon als wir reingehen, weiß ich, dass etwas nicht stimmt. Es liegt an den Leuten: zu unterschiedlich, zu zusammengewürfelt, zu aufgeregt, zu nervös.
Ich frage mich: Warum zum Teufel sieht jemand so entsetzt aus bei dem Gedanken, eine Mahlzeit zu kochen? Dann sehe ich es, in riesigen grellpinken Buchstaben an der hinteren Küchenwand.
» FLIRTEN MIT GESCHMACK ! KOCHEN . ESSEN . SEHEN , WAS PASSIERT !«
Zuerst lache ich laut – vor allem vor Schreck –, weil es so eine Farce ist. Dann dämmert es mir. Hatte er …? Würde er …? Nein, oder?
Ich blicke zu Martin hinüber, er zieht gerade seine beigefarbene Jacke aus und hängt sie über einen Stuhl mit … mit seinem Namen drauf. Dann drehe ich mich auf dem Stuhl um und sehe, dass auf meinem auch mein Name steht, genau wie bei allen anderen. Das hier ist offensichtlich irgendeine grässliche Mischung aus Das perfekte Dinner und Herzblatt .
Schließlich blickt Martin mich an. Ich deute hektisch auf das Plakat, aber er runzelt die Stirn; er hat keine Ahnung, was ich meine.
»Bravo! Okay, Leute!« In diesem Moment kommt ein schmächtiger Italiener mit gegeltem schwarzem Haar und in der weißen Montur eines Kochs in den Raum marschiert und klatscht in die Hände. »Ick bin Stefano Melzi, und ick bin Ihre Gastgeber für diese Abend des Flirtens mit Geschmak-ke!«
Das Publikum spendet einen lahmen Applaus. Es ertönt ein »Wuh-huh!«. Von einer Frau mit einem Pferdegesicht in einem Pashmina. Irgendein Kerl in Surfer-Shorts und Birkenstocks fängt an, mit beiden Fäusten auf den Tisch zu hämmern.
Ich sehe Martin an, der jetzt mit offenem Mund auf das Banner starrt, und erkenne an seiner Blässe und seinem Gesichtsausdruck – als hätte er gerade live im Fernsehen das Ergebnis eines Vaterschaftstests erfahren –, dass er keine Ahnung hatte, was das hier ist, als er die Karten gekauft hat.
»Okaaay!« Stefano Melzi breitet die Arme aus, als wolle er eine Opernarie singen. »Kochen wir also italiano! Zu Ihrer Rechten Sie finde ein köstliches Menu, das ich selbst habe zusammengestellt. Es iste sorgfaltig geplant, um Ihre Sinne anzuregen, Ladies und Gentlemen, um Ihre Verfuhrungskräfte zu erhöhen, um …« Er hebt eine schwarze, geschwungene Augenbraue und spreizt die Finger wie ein Magier. »… Sie zu errege.«
Das Mädchen mit dem Pferdegesicht im Pashmina lacht grunzend, was jeden außer Martin – wir sind insgesamt zehn – ansteckt, mich eingeschlossen. Ich sehe noch einmal Martin an, der mürrisch guckt und dem ein Schweißtropfen seitlich über das Gesicht läuft, und denke: Komm schon, Mart, so schlimm ist es doch nicht, oder? Wir können doch darüber lachen, oder nicht? Das ist doch keine große Sache?
Er sieht mich an und schluckt.
»Es tut mir leid«, formt er mit den Lippen.
»Mach dir keine Sorgen«, antworte ich leise. Jetzt sind wir nun mal hier. Wenn ich mich entspannen und die lustige Seite dieser Sache sehen kann, dann kann er das doch bestimmt auch?
»Also«, fährt Stefano fort und läuft mit geschwollener Brust durch die Küche. Etwas sagt mir jedoch, dass es erst noch ein bisschen schlimmer werden wird. »In den Schubladen vor Ihnen Sie werden finden alle Utensilien, die wir brauchen, um das heutige
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