Roman
jener Nacht und dem »Ich liebe dich«. ICH LIEBE DICH !
Das hat er gesagt.
Männer verlassen manchmal ihre Frauen, denke ich, als wir im Zug sitzen. Diesmal lehne ich mich an seine Schulter, und es fühlt sich so richtig an. So was passiert, es ist meiner eigenen Mutter passiert! War ich die schlimmste Frau der Welt, weil ich so etwas dachte? Das hier kann tatsächlich ein ganz neues Kapitel sein, denke ich bei mir. Etwas sehr Vielversprechendes. Als ich ihn am Taxistand an der Victoria Station küsse, schiebt er mich nicht weg. Ich kann immer noch die Seeluft in seinen Haaren riechen, die Möwenschreie hören. Wir verabschieden uns lange und widerwillig voneinander, und dieses Mal fühlt es sich an wie in einem Film, und diesmal spielt auch die Musik. Ich beobachte mich nicht selbst, ich gehe in der Rolle auf.
Wir steigen in zwei verschiedene Taxis, und ich bin so glücklich wie seit Jahren nicht mehr. Ich hole mein Handy heraus. Meine Hände zittern. »Ich liebe dich auch«, tippe ich. Mir ist herrlich schwindelig, während meine Finger auf die Tasten drücken. »Tut mir leid, dass ich dich so bedrängt habe! Tut mir leid, dass ich unsicher war. xx«
Ich warte auf eine Antwort. Nichts. Vielleicht ist sein Akku leer, denke ich, oder er ist eingeschlafen. Dann trifft mich die Erkenntnis. Mir wird übel – er hat mir nicht gesagt, ob er sie liebt, oder? Er ist der Frage ausgewichen. Hat er mir nur gesagt, dass er mich liebt, damit ich mit ihm schlafe?
Mein Handy klingelt, als wir gerade die Battersea Park Road hinunterfahren.
»Hallo?« Ich reiße es an mein Ohr und sehe nicht mal nach, wer der Anrufer ist.
»Da bist du ja!«
Martin. Mein Herz wird bleischwer.
»Ich dachte schon, du wärst ausgewandert.«
»Oh«, ist alles, was ich hervorbringe.
»Geht es dir gut?«, fragt er. »Du klingst, als wenn es dir nicht gut ginge.«
»Doch, alles in Ordnung.« Ich kann das Zittern in meiner Stimme hören, spüre die Tränen, die in meinen Augen brennen, aber ich will nicht weinen, das will ich wirklich nicht.
»Na ja, du klingst aber nicht, als wenn es dir gut ginge«, beharrt er. »Ich merke es, wenn meine Caroline sich nicht gut anhört.«
Die Sorge in seiner Stimme macht es nur noch schlimmer, und ich blinzele die Tränen weg. Sag jetzt nichts, denke ich, sag nichts. Was immer auch passiert, keine Beichte, nicht bei ihm.
»Mir geht’s gut«, versichere ich ihm noch mal. »Ich bin nur müde, das ist alles. Gerade bin ich von einem Treffen mit einem Kunden in Brighton zurück. Ich habe nicht viel Schlaf bekommen.«
»Oh«, sagt er. Er klingt geknickt. »Dann willst du wohl heute Abend nicht ausgehen?«
»Wohin denn ausgehen?«
»Zu einem Koch-Event«, erklärt er. »Es ist sehr kurzfristig, ich weiß, aber ich habe die Karten ganz spontan gekauft. Ich dachte, es gefällt dir vielleicht.«
»Wo ist es denn?«
»In einem Restaurant in der Nähe der Regent Street.«
Ich denke an heute Abend – daran, wie ich es bis dahin überhaupt schaffen soll, ohne zusammenzubrechen und Toby anzurufen, und bin deprimiert. Eigentlich kann ich wirklich etwas gebrauchen, auf das ich mich freuen kann, etwas, das mich von ihm ablenkt, ein bisschen Zuwendung von Martin, um mich aufzumuntern.
»Ja, also gut«, stimme ich deshalb zu. »Das klingt nett, Martin. Schick mir eine SMS mit der Adresse und der Uhrzeit. Ich bringe nur schnell meine Tasche weg und treffe dich dann da.«
Als ich nach Hause komme, renne ich die Treppe rauf und rufe nach Lexi, aber es kommt keine Antwort. Sie arbeitet bestimmt bei Wayne in Camden, denke ich, mehr als ein bisschen erleichtert, mich jetzt nicht mit ihr unterhalten zu müssen, solange ich an nichts anderes denken kann als an Tobys »Ich liebe dich«.
21
Das Event »Kochen wie die Italiener!« fand in der Küche eines kleinen italienischen Restaurants in der Heddon Street statt. Es regnet in Strömen, als ich dort ankomme – ein Sommerabend-Sturm –, und Martin steht an der Tür. Seine beigefarbene Gap-Jacke ist durchweicht und seine Brille beschlagen.
»Es tut mir so leid, dass ich zu spät bin!«, keuche ich, weil ich wie eine Verrückte vom Oxford Circus hierher gerannt bin. »So eine Art Selbstmord im U-Bahn-Tunnel.«
Martins Mundwinkel zucken.
»So eine Art Selbstmord, ja?«, fragt er und wirft mir einen Blick zu, der sagt: Ich kenne dich seit vierzehn Jahren; glaubst du nicht, ich wüsste inzwischen, dass du immer zehn Minuten zu spät kommst? »Also ehrlich, was denken diese
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