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Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Titel: Roman eines Schicksallosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imre Kertész
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wir in unserer Gruppe, Jungen und Männer, waren so ungefähr zu vierzig, schätze ich, als es hieß: Wir gehen baden. Ein Soldat ist zu uns getreten, so auf einmal habe ich gar nicht gesehen, woher, ein kleiner, eher schon etwas ältlicher, friedlich aussehender Mann mit einem großen Gewehr – so ein Gemeiner, wie mir schien. «Los , ge ’ ma ’ vorne!» hat er gesagt, oder so ähnlich, nicht eben nach den Regeln der Grammatik, wie ich feststellte. Wie auch immer, in meinen Ohren klang es angenehm, weil die Jungen und ich schon ein bisschen ungeduldig waren, nicht so sehr wegen der Seife, ehrlich gesagt, als vor allem wegen des Wassers, natürlich. Der Weg führte durch ein Tor aus Gitterdraht weiter hinein, irgendwo auf das Gelände innerhalb des Zauns, wo offenbar auch das Bad zu sein schien: Wir zogen in lockeren Gruppen, ohne zu hasten, redend und lachend los, hinter uns, wortlos, trottete gleichmütig der Soldat. Unter unseren Füßen wieder eine breite, blendendweiße Straße, vor uns die ganze, einigermaßen ermüdend weite Ebene, die vor Hitze schon überall nur so zitternde und wallende Luft. Ich machte mir noch Sorgen, ob es wohl nicht zu weit sein würde, aber wie sich dann herausstellte, war das Badehaus vom Bahnhof im Ganzen etwa nur zehn Gehminuten entfernt. Was ich auf diesem kurzen Weg von der Umgebung sah, fand alles in allem ebenfalls mein Gefallen. Im Besonderen war ich über einen Fußballplatz sehr erfreut, auf einer gleich rechts vom Weg gelegenen großen Wiese. Ein grüner Rasen, die zum Spielen nötigen weißen Tore, weiß ausgezogene Linien – es war alles da, verlockend, frisch, in allerbestem Zustand und größter Ordnung. Wir Jungen haben dann auch gleich gesagt: Na, da spielen wir nach der Arbeit Fußball. Noch größere Freude bereitete uns, was wir ein paar Schritte weiter am linken Straßenrand erblickten: ein Wasserhahn, ohne jeden Zweifel, so ein Pumpbrunnen, wie sie an Straßen stehen. Eine Tafel daneben wollte zwar mit roten Buchstaben warnen: «Kein Trinkwasser» – aber das konnte uns in diesem Augenblick nicht gerade zurückhalten, versteht sich. Der Soldat war ganz geduldig, und ich kann sagen, dass mir schon lange kein Wasser so gutgetan hatte, auch wenn danach ein eigenartiger, stechender und ekelerregender Chemikaliengeschmack im Mund zurückblieb. Im Weitergehen sahen wir auch Häuser, es waren die gleichen, die wir schon vom Bahnhof aus bemerkt hatten. Wirklich, auch so aus der Nähe waren es seltsame Bauwerke, lang, flach, von unbestimmter Farbe, auf den Dächern über die ganze Länge irgendwelche Lüftungs- oder Beleuchtungsanlagen. Jedes war von einem Gartenweg mit rotem Kies umgeben, und von der Straße waren sie durch ein gepflegtes Rasenstück getrennt, zwischen ihnen erblickte ich mit heiterem Erstaunen kleine Gemüsegärten, Kohlpflänzlinge, und in den Beeten wuchsen allerlei bunte Blumen. Es war alles sehr sauber, hübsch und schmuck – tatsächlich: Ich musste es zugeben, wir hatten in der Ziegelei recht gehabt. Nur eines fehlte irgendwie, und ich habe dann auch herausgefunden, was: nämlich, dass ich in der Umgebung der Häuser keine Spur von Bewegung, von Leben sah. Aber ich dachte mir dann, das dürfte ja wohl natürlich sein, schließlich war für die Bewohner Arbeitszeit.
    Auch im Bad (wir fanden es, links abbiegend, hinter einem weiteren Gitterzaun und einem weiteren Gittertor, auf einem Hof) konnte ich sehen, dass sie schon auf uns vorbereitet waren, sie erklärten alles bereitwillig und weit im voraus. Zunächst sind wir in eine Art Vorraum mit Steinfußboden gekommen. Darin waren schon recht viele Leute, unter denen ich solche aus unserem Zug erkennen konnte. So wurde mir klar, dass die Arbeit anscheinend unablässig vonstatten ging, dass sie die Leute offenbar in einer Gruppe nach der anderen vom Bahnhof zum Baden brachten. Auch hier ging uns ein Sträfling zur Hand, ein – so musste ich feststellen – ganz feiner Gefangener. Auch er trug zwar den gestreiften Sträflingsanzug, nur hatte der wattierte Schultern und war tailliert, ja, ich darf es so sagen: nach bester, beinahe schon auffälliger Mode geschnitten und gebügelt, und zudem trug er säuberlich gekämmtes, schwarzglänzendes Haar, so wie wir freien Leute. Er empfing uns stehend, am anderen Ende des Raums, rechter Hand von einem Soldaten, der seinerseits hinter einem Tischchen Platz genommen hatte. Dieser selbst war winzig klein, von gemütlichem Äußeren und recht dick, mit einem

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