Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Titel: Roman eines Schicksallosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imre Kertész
Vom Netzwerk:
Kopfnicken, auffallend guter Laune und unmissverständlicher Zustimmung dem Wort «Röntgen», das er ja gewiss verstand, Nachdruck verliehen. Es kam mir wieder in den Sinn: Offenbar war das, was der Gendarm im Zug uns gesagt hatte, also doch richtig gewesen. Von sich aus, so sagte der Sträfling, könne er noch so viel hinzufügen, dass ein jeglicher Schmuggelversuch, mit dem sich die Schuldigen im Übrigen «die allerschwerste Strafe» zuziehen, wir alle jedoch unsere Ehre vor der deutschen Behörde aufs Spiel setzen würden, seiner Meinung nach «aussichts- und sinnlos» sei. Ohne Zweifel, auch wenn mich die Frage nicht weiter berührte, so fand ich doch, dass er recht haben mochte. Es ist eine kleine Stille entstanden, eine, nach meinem Empfinden, gegen Ende irgendwie fast schon ungemütliche Stille. Dann eine Unruhe vorn: Jemand ließ sich Platz machen, darauf hat sich ein Mann von der Gruppe gelöst, hat etwas auf den Tisch gelegt und ist eilig wieder zurückgetreten. Der Soldat hat etwas zu ihm gesagt: Es klang lobend. Den Gegenstand – etwas ganz Kleines, ich konnte es von meinem Platz aus nicht recht sehen – hat er gleich in der Schublade verschwinden lassen, nachdem er ihn vorher noch angeschaut, mit einem flüchtigen Blick gewissermaßen eingeschätzt hatte. Wie mir schien, war er zufrieden. Dann wieder eine Pause, aber kürzer als die vorherige, dann wieder Unruhe und wieder ein Mann, und dann traten sie ohne Unterbrechung, immer mutiger und immer zahlreicher vor, folgten einander zum Tisch und legten glänzende oder hart tönende, aufklingende oder raschelnde Gegenstände dorthin, auf den kleinen freien Platz zwischen der Peitsche und der Aktentasche. All das – abgesehen vom Geräusch der Schritte und der Gegenstände, nun und dann von den kurzen, hohen, gutgelaunt und ermutigend klingenden Äußerungen, die der Soldat jedes Mal machte – ist in völliger Stille vor sich gegangen. Ich habe auch bemerkt, dass der Soldat bei jedem einzelnen Gegenstand das gleiche Verfahren anwandte. So begutachtete er, selbst wenn ihm jemand gleich zwei Gegenstände hinlegte, trotzdem – zuweilen unter befriedigtem Kopfnicken – zuerst den einen, zog eigens dafür die Schublade heraus, legte ihn einzeln hinein, schob dann, zumeist mit dem Bauch, die Schublade wieder zu, um zum nächsten Stück überzugehen und mit ihm genau das Gleiche zu wiederholen. Ich war ganz verblüfft, was da noch alles zum Vorschein kam, nach der Gendarmerie, wenn man es bedenkt. Aber auch diese Eile, dieser plötzliche Eifer der Leute hat mich ein wenig überrascht, nachdem sie doch bis dahin allerhand Beschwerlichkeiten auf sich genommen hatten, allerhand Sorgen, die ja mit dem Besitz dieser Gegenstände einhergegangen waren. Deshalb konnte ich wohl bei fast jedem, der vom Tisch zurückkam, den gleichen, etwas verschämten, etwas feierlichen, aber insgesamt gewissermaßen erleichterten Gesichtsausdruck sehen. Nun ja, und dann standen wir doch schließlich an der Schwelle zu einem neuen Leben, und ich sah ein, dass das letztlich eine ganz andere Situation war als auf der Gendarmerie, natürlich. Das Ganze, der ganze Vorfall, hat ungefähr so drei bis vier Minuten beansprucht, wenn ich genau sein wollte.
    Von dem Weiteren kann ich dann nicht mehr viel sagen: Im Wesentlichen ist alles nach den Weisungen des Sträflings abgelaufen. Die gegenüberliegende Tür ist aufgegangen, und wir sind in eine Räumlichkeit eingetreten, in der sich lange Bänke und darüber tatsächlich Kleiderhaken befanden. Die Nummer habe ich auch gleich gefunden und einige Male für mich wiederholt, um sie nicht etwa zu vergessen. Auch die Schuhe habe ich zusammengebunden, so wie es der Sträfling geraten hatte. Dann folgte ein großer, von Lampen sehr hell erleuchteter Raum mit niedriger Decke: Ringsum die Wände entlang waren schon die Rasiermesser eifrig am Werk, surrten die elektrisch betriebenen Haarschneidemaschinen, machten sich die Barbiere – alles Sträflinge – eifrig zu schaffen. Ich kam zu einem auf der rechten Seite. Ich solle – so sagte er vermutlich, denn ich verstand seine Sprache nicht – da vor ihm auf dem Schemel Platz nehmen. Und schon hatte er mir die Maschine an den Nacken gedrückt und das Haar abgeschnitten – aber ganz und gar, völlig kahl. Dann hat er das Rasiermesser zur Hand genommen: ich solle aufstehen und die Arme hochhalten – er machte es vor –, und darauf kratzte er mir ein bisschen unter der Achsel herum. Dann setzte er

Weitere Kostenlose Bücher