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Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Titel: Roman eines Schicksallosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imre Kertész
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du, auch wenn sie dich beim ersten Anhören überraschen mochte, nicht zweifeln. Am anderen Drahtzaun hingegen, wo das große, nach allen Seiten hin – links, rechts, den Hügel hinauf – wuchernde eigentliche Lager mit seinen gepflasterten Straßen, den schmucken grünen Baracken und flachen Steinhäuschen begann, eröffnete sich jeden Abend die Aussicht auf einen guten Gelegenheitskauf: Löffel, Messer, Näpfe, Kleidungsstücke, feilgeboten von ortsansässigen Häftlingen, die um diese Zeit hier Handel trieben; einer von ihnen bot mir einen Pullover an, für den Preis von nur einem halben Brot, wie er andeutete, vormachte, erklärte – aber ich habe ihn ihm nicht abgekauft, da ich ja im Sommer keinen Pullover brauchte und der Winter schließlich, so befand ich, noch weit entfernt war. Da habe ich auch gesehen, wie viele verschiedenfarbige Dreiecke und wie viel verschiedenerlei Buchstaben darin es gab, sodass ich mich zu guter Letzt kaum mehr auskannte, wer eigentlich woher kam. Aber auch in meiner Umgebung ließ sich manches ländlich gefärbte Wort aus der ungarischen Rede heraushören, ja, des öfteren vernahm ich auch die seltsame Sprache, die ich zuerst in Auschwitz, noch in der Eisenbahn, von den merkwürdigen Häftlingen gehört hatte, die uns in Empfang genommen hatten. In Buchenwald gibt es für die Bewohner des Zeltlagers keinen Appell, und die Waschanlage steht unter freiem Himmel, genauer, unter schattigen Bäumen: im Wesentlichen die gleiche Konstruktion wie in Auschwitz, aber mit Becken aus Stein, und – vor allem – den ganzen Tag fließt, spritzt oder rieselt zumindest Wasser aus den Rohren, und zum ersten Mal, seit ich in die Ziegelei gekommen war, wurde ich hier des Wunders teilhaftig, dass ich trinken konnte, wenn ich Durst hatte, ja sogar dann, wenn ich einfach nur Lust dazu bekam. Auch in Buchenwald gibt es ein Krematorium, versteht sich, aber insgesamt nur eines, denn das ist hier nicht der Zweck, nicht das Wesen der Sache, nicht Seele und Sinn des Ganzen – wenn ich so sagen darf –, sondern es werden nur solche verbrannt, die im Lager verscheiden, unter den gewöhnlichen Umständen des Lagerlebens sozusagen. In Buchenwald – die Nachricht ging wahrscheinlich von den alten Häftlingen aus und drang auch bis zu mir – sei es vor allem ratsam, sich vor dem Steinbruch in Acht zu nehmen, obwohl dieser – so wurde hinzugefügt – kaum noch in Betrieb sei, nicht so wie früher, zu ihrer Zeit, wie sie sagten. Das Lager besteht, wie ich erfahre, schon seit sieben Jahren, es gibt hier aber auch Leute, die aus noch älteren Lagern kommen, so zum Beispiel habe ich hier die Namen von einem gewissen «Dachau» sowie «Oranienburg» und «Sachsenhausen» erfahren können: Da verstand ich auch das nachsichtige Lächeln, das bei unserem Anblick auf dem Gesicht manch eines von jenseits des Drahtzauns stammenden Würdenträgers erschien, der eine Zehn- oder Zwanzigtausender-Nummer trug, wenngleich es da und dort auch vier- oder dreistellige Zahlen gab. In der Nähe unseres Lagers liegt – wie ich erfahre – eine bildungsmäßig gesehen namhafte Stadt, Weimar, deren Ruhm zu Hause auch schon Lernstoff gewesen war, versteht sich: Hier hatte unter anderen jener Mann gelebt und gewirkt, dessen Gedicht «Wer reitet so spät durch Nacht und Wind» auch ich ohne Buch auswendig kann und von dem sich hier irgendwo – wie es heißt – ein eigenhändig gepflanzter und seither tiefverwurzelter und weitverzweigter Baum, mit einer Gedenktafel versehen und vor uns Häftlingen durch einen Zaun geschützt, auf dem Lagergelände befindet – so heißt es. Alles in allem fiel es mir überhaupt nicht schwer, jene Gesichter in Auschwitz zu verstehen: Ich kann sagen, auch ich habe Buchenwald bald liebgewonnen.
    Zeitz, genauer: Das nach dieser Ortschaft benannte Konzentrationslager liegt eine Nachtfahrt mit dem Güterzug von Buchenwald entfernt, dann noch weitere zwanzig, fünfundzwanzig Minuten zu Fuß, im Geleit von Soldaten, auf einer von wohlbestellten Äckern und ländlicher Umgebung gesäumten Landstraße – wie ich selbst bald erfahren konnte. Wenigstens würde das nun unser endgültiger Wohnsitz sein – so wurde versichert –, zumindest für die, deren Namen im Alphabet vor dem M kommen; das Ziel der anderen hingegen sei das – aufgrund des geschichtlichen Rufs der Stadt auch für mich schon vertrauter klingende – Arbeitslager Magdeburg, so wurde uns von den verschiedenen Würdenträgern, die alle lange

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