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Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Roman eines Schicksallosen (German Edition)

Titel: Roman eines Schicksallosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imre Kertész
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Forke in der Hand hatte, schienen sowohl unser Aufseher wie auch der hin und wieder vorbeischauende, wie eine Art Polier aussehende Mann, der wohl in der Fabrik tätig war, recht zufrieden, was unseren Schwung natürlich noch steigerte, versteht sich. Wenn aber, als sich mit der Zeit an meinen Handflächen ein Brennen bemerkbar machte und ich sah, dass die Haut unterhalb der Finger ganz blutig war, wenn da unser Aufseher herüberrief: «Was ist denn los?» ,und wenn er sich darauf, als ich ihm lachend meine Hände zeigte, auf einmal sehr verfinsterte, sogar an seinem Gewehrriemen riss und befahl: «Arbeiten! Aber los!» ,dann ist es letztlich nur natürlich, dass sich auch mein Interesse auf etwas anderes richtete. Von da an hatte ich nur noch das eine im Kopf: Wie kann ich, wenn er nicht hersieht, ganz kurz eine Pause einschalten, wie kann ich möglichst wenig auf Schaufel, Forke, Spaten nehmen, und ich muss sagen, dass ich später in solchen Kniffen ziemliche Fortschritte gemacht und wenigstens auf diesem Gebiet eine viel größere Kundigkeit, Kenntnis und Übung erworben habe als bei jeder der Arbeiten, die mir aufgegeben wurden. Und wer hatte denn eigentlich etwas davon? – wie einst, ich erinnere mich, die Frage des «Experten» gelautet hatte. Ich behaupte: Da stimmte etwas nicht, da war ein Fehler im Getriebe, ein Versäumnis, ein Versagen. Schon irgendein Wort, irgendein Zeichen, ein Aufblitzen der Anerkennung, nur hin und wieder ein Funken davon: Mir jedenfalls hätte das mehr genützt. Denn was haben wir uns denn persönlich vorzuwerfen, wenn wir es recht bedenken? Und das Gefühl der Eitelkeit bleibt uns ja auch in der Gefangenschaft erhalten; wer hätte nicht heimlich das Bedürfnis nach ein klein wenig Freundlichkeit, und mit einsichtigen Worten kämen wir weiter, fand ich.
    Aber solche Erfahrungen konnten mich im Grunde noch nicht wirklich erschüttern. Der Zug fuhr noch; wenn ich vorwärtsblickte, ahnte ich in der Ferne auch ein Ziel, und in der ersten Zeit – der goldenen, wie Bandi Citrom und ich sie später nannten – schien Zeitz bei entsprechender Lebensführung und mit ein wenig Glück ein durchaus erträglicher Ort zu sein, vorläufig, vorübergehend, bis uns, das versteht sich, die Zukunft davon erlösen würde. Zweimal wöchentlich ein halbes Brot, dreimal ein drittel und nur zweimal bloß ein viertel. Häufig Zulage. Einmal wöchentlich gekochte Kartoffeln (sechs Stück, in die Mütze abgezählt, und dass es dabei keine Zulage mehr geben kann, ist einzusehen), einmal wöchentlich Milchnudeln. Den ersten Ärger des frühen Aufstehens machen die betaute sommerliche Morgendämmerung, der heitere Himmel, nun und dann der dampfende Kaffee bald wieder wett (um diese Zeit heißt es geschickt sein in der Latrine, denn bald ertönt der Ruf «Appell! Antreten!» ). Der Morgenappell ist mit Sicherheit immer kurz, denn schließlich wartet, drängt ja die Arbeit. Das Seitentor der Fabrik, das auch wir Häftlinge benutzen dürfen, links von der Landstraße, auf einem sandigen Hang, ist in zehn bis fünfzehn Minuten Fußmarsch erreichbar. Schon von weitem ein Rauschen, Rasseln, Surren, Keuchen, ein paarmal das Krächzen aus eisernen Schlünden: Da grüßt die Fabrik – mit dem Labyrinth ihrer Haupt- und Querstraßen, mit ihren vorwärts holpernden Kränen, den Erde fressenden Maschinen, ihren vielen Schienen, Kesseln, Rohren, Kühltürmen, Werkstätten viel eher eine richtige Stadt. Zahlreiche Krater und Gräben, Schutt und Trümmer, aufgerissene Kanäle und Mengen von hervorquellenden Kabeln deuten auf den Besuch von Flugzeugen hin. Der Name der Fabrik – so habe ich schon in der ersten Mittagspause erfahren – ist «Brabag», was eine Abkürzung für «Braunkohle-Benzin-Aktiengesellschaft» und so «einmal sogar an der Börse notiert» gewesen ist. Und man hat mir auch den dicken, sich mit mühsamem Schnaufen auf den Ellbogen stützenden, gerade ein angeknabbertes Brot aus der Tasche klaubenden Mann gezeigt, von dem die Information stammte und von dem man dann später, immer mit einer gewissen Heiterkeit, im Lager erzählt hat – obwohl ich es nie von ihm selbst gehört habe –, auch er sei einmal Besitzer von einigen hiesigen Aktien gewesen. Wie es heißt, bemüht man sich auch hier – und deshalb hat mich wohl der Geruch gleich an die Ölraffinerie von Csepel erinnert –, Benzin herzustellen, mit Hilfe einer Erfindung jedoch nicht aus Öl, sondern aus Braunkohle. Ich fand den Einfall

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