Roman
einen Stadtbummel?“
Kristina sah sich hektisch nach Tom um. Wo steckte er nur? Dann erblickte sie ihn. Er schien sich mit seiner Begleiterin prächtig zu amüsieren. Zumindest ließ sein schwachsinniges Grinsen darauf schließen.
„Würden Sie mir das mal ausleihen?“ Sie deutete auf Claussens Fernglas.
„Äh …“, erwiderte er. Anscheinend musste er darüber erst einmal nachdenken.
„Bitte, es pressiert“, betonte sie und zerrte an dem Fernglas, als Tom aus dem Blickfeld zu verschwinden drohte. „Jetzt stellen Sie sich doch nicht so an. Sie kriegen es ja gleich zurück.“
Erschrocken nahm er es vom Hals und reichte es ihr.
„Danke“, sagte Kristina und flitzte davon. Sie rannte in die Richtung, in der sie Tom zuletzt gesehen hatte. Doch er blieb verschwunden. Sie wollte schon aufgeben, als sie den Haarschopf seiner Begleiterin entdeckte. Die beiden hatten inzwischen in einem Straßencafé Platz genommen. Kristina suchte sich einen strategisch günstigen Standort und hielt sich das Fernglas vors Gesicht.
Jetzt hatte sie Tom genau im Visier. Er studierte die Speisekarte und machte einen vergnügten Eindruck. Sie spürte, wie die Wut in ihr aufstieg. Jetzt legte die blöde Tussi auch noch ihre Hand auf seine! Hatte Tom denn überhaupt keine Skrupel? Wie gebannt beobachtete sie das Paar. Sie war so vertieft in die Szene, dass sie gar nicht bemerkte, wie zwei Mädchen sich neben sie stellten und in die gleiche Richtung schauten.
„Was gibt’s denn da?“, fragte eins der Mädchen. „Ist da ein Promi?“
Kristina drehte sich herum und sah das Mädchen an, das sie nun mit komplett ausdrucksloser Miene anstarrte. Ein schmaler Reif verhinderte, dass dem Kind das Haar ins Gesicht fiel. Dazu trug das Mädchen ein schulterfreies T-Shirt, einen Minirock und trotz der sommerlichen Temperaturen Ugg-Boots. Kristina schätzte es auf 15. Neben der mit dem Haarreif stand noch eine Jugendliche, die etwa gleich alt war. Sie trug eine gigantische Sonnenbrille auf der Nase, die Kristina unwillkürlich an zwei Fliegenaugen denken ließ. Das Einzige, was sich in ihrem gelangweilten Gesicht bewegte, war ihr Kiefer – sie kaute unaufhörlich Kaugummi. Auf dem Kopf trug sie einen schicken Strohhut, Modell Frank Sinatra, ansonsten die gleiche Girlie-Uniform wie ihre Freundin.
„Kümmert euch um euren eigenen Kram“, erwiderte Kristina barsch und widmete sich wieder dem Fernglas.
„Sind Sie so ’ne Art Stalker?“, fragte Haarreif.
„Großer Auftritt, wenig Hirn, was?“, gab Kristina genervt zurück.
„Meint die etwa uns?“, sagte Hütchen zu Haarreif.
„Kein’ Schimmer, aber wir können ja auch zu dem Bullen da gehen“, meinte Haarreif und zeigte auf einen Uniformierten, der durch die Fußgängerzone ging.
Kristina signalisierte den beiden, dass sie abdampfen sollten, und konzentrierte sich auf Tom. Die Mädchen rührten sich jedoch nicht.
Entnervt gab Kristina nach und erklärte: „Dahinten sitzt mein Freund mit einer anderen. Zufrieden?“
„Cool. Und Sie spionieren ihm nach?“, wollte Haarreif wissen.
„Hm.“ Kristina beachtete die beiden nicht weiter, sondern wandte sich ihrem Zielobjekt zu, das etwa 40 Meter entfernt einen Espresso trank.
„Wie lange poppt der die andere schon?“, erkundigte sich Hütchen.
Kristina starrte die zwei an. Das ist grotesk, dachte sie bei sich. „Müsst ihr nicht nach Hause? Eure Eltern vermissen euch bestimmt schon.“
„Nee, wieso?“, antwortete Haarreif.
In dem Moment klingelte Kristinas Telefon. Ratlos stand sie da. Sollte sie die Beschattung nun abbrechen und ans Handy gehen?
„Soll ich die beiden weiterbeobachten, während Sie telefonieren?“, bot Haarreif an.
Kristina gab dem Mädchen das Fernglas. „Die beiden da vorne rechts. Die Frau hat langes schwarzes Haar.“
„Supi.“ Haarreif schaute durch das Glas und berichtete: „Er hält sich gerade ein iPhone ans Ohr.“
„Lass mich auch mal!“, schaltete Hütchen sich ein und zerrte an dem Gurt, an dem das Fernglas hing.
„Vorsicht“, warnte Kristina die beiden. „Passt auf, sonst fällt das Ding noch auf den Boden.“
Hütchen schaute durch das Fernglas und stieß einen spitzen Schrei aus. „Die hat diese supergeile Gucci-Bag, ich fass es nicht.“
Jugendliche Ignoranz, dachte Kristina gereizt. Aber so ein Mangel an Wissen und Erfahrung kann ja auch ein Segen sein. Sie wühlte in ihrer Handtasche, bis sie endlich das Telefon fand. Die Nummer war unterdrückt. „Telefoniert er
Weitere Kostenlose Bücher