Roman
noch?“, wollte sie von Hütchen wissen.
Sie bekam keine Antwort. Die beiden waren inzwischen dazu übergegangen, andere Personen zu observieren.
Kristina zauderte. War das vielleicht sogar Tom? Sollte sie rangehen oder lieber nicht? Während sie überlegte, klingelte es hartnäckig weiter. Der Anrufer ließ nicht locker. Schließlich siegte ihre Neugier, und Kristina nahm das Gespräch an.
„Mein Gott, gut, dass ich dich erreiche.“ Peter war am anderen Ende der Leitung. „Du musst mir helfen. Mein Rücken. Kann ich heute zu dir kommen?“
Kristina sackte innerlich zusammen. Ihr Ex-Mann war wirklich der Letzte, den sie heute sehen wollte. „Ich bin verabredet“, wollte sie ihn abwimmeln.
„Kristina“, beschwor er sie mit vorwurfsvoller Stimme. „Ich habe so furchtbare Schmerzen im Kreuz. Ich kann nicht bis Montag warten. Bitte. Ich brauche dich. Jetzt.“
„Na gut“, lenkte Kristina ein. „Dann komm in einer Stunde.“ Damit steckte sie das Telefon wieder ein und erklärte den Mädchen: „Ich muss weg. Mein Fernglas, bitte.“
„Schade, jetzt wurde es gerade spannend.“ Haarreif reichte ihr das Glas.
„Aber ist das Sahneschnittchen nicht sowieso ein bisschen jung für Sie?“, meinte Hütchen.
„So klein und schon so spießig!“, zischte Kristina, machte auf dem Absatz kehrt und brachte Claussen sein Glas zurück. Dann lief sie zu ihrem Fahrrad und fuhr los. Auf dem Rückweg erledigte sie schnell die Einkäufe fürs Wochenende. Sie schaffte es gerade noch, alles auszupacken, als Peter auftauchte.
Dieser Simulant, dachte sie bei sich, als sie ihm die Tür öffnete und er die Praxis betrat. Aber wenigstens hatte er seine schwangere Frau nicht im Schlepptau, sondern war alleine hergekommen.
„Das ist nett, dass du mich heute behandelst. Mir geht es wirklich schlecht“, sagte Peter und verzog das Gesicht, als wäre er soeben in einen Nagel getreten.
„Du siehst aus wie das blühende Leben.“
„Der Schein trügt. Es ist mal wieder mein Rücken. Heute Morgen beim Aufstehen, da ist es passiert. Und jetzt kann ich mich kaum noch bewegen.“
„Dann geh in Raum Eins und mach dich frei. Ich bin gleich bei dir“, erwiderte sie und schob ihn mit Nachdruck in Richtung Tür. Sie glaubte ihm kein Wort. Sicher wollte er bloß mit ihr über Tom und Sophie reden. Von wegen Rücken. Alles nurrr Dagdik, würde Rita sagen.
Kristina holte eine Fangopackung aus dem Nebenraum und ging damit zu Peter in den Behandlungsraum. Er lag bereits mit nacktem Oberkörper auf der Liege. Als sie die Packung auf seinen Rücken legte, stöhnte er auf.
„In zehn Minuten komm ich wieder“, meinte sie und wollte schon verschwinden.
„Bleib doch, dann können wir uns ein bisschen unterhalten“, bat er sie.
„Worüber denn?“ Sie hatte die Klinke bereits in der Hand.
„Na, über dich zum Beispiel und unsere Kinder und so.“
„Muss das sein?“ Kristina zögerte. Sollte sie bleiben oder gehen?
„Hast du Sophie in letzter Zeit gesprochen?“, wollte er wissen.
„Nein. Und du?“
„Nicht mehr, seit sie bei Julia und mir ausgezogen ist. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr. So kenne ich sie gar nicht.“
Schweigend lehnte Kristina sich mit dem Rücken an die Tür.
„Hat sie dir irgendetwas erzählt?“, hakte Peter nach.
Schließlich stieß sie sich von der Tür ab und trat vor das Kopfende der Liege. Sie starrte auf seinen Hinterkopf, auf dem sie sogleich die ersten lichten Stellen entdeckte. Ob sie ihm Justus Claussens Kämmtechnik zeigen sollte?
„Du als ihre Mutter, du solltest doch wissen, was in ihr vorgeht“, meinte Peter.
„Und du als Vater nicht?“, konterte sie. „Aber ich habe da so eine Vermutung. Ich denke, sie ist sauer, dass du nicht mehr ihr Ganztagsvater bist, sobald das Baby auf der Welt ist. Sie will dich eben ganz – wie sie es gewohnt ist. Sie will nicht nur einen Abend- oder Wochenendpapa.“
„So was Ähnliches hat Julia auch gesagt. Sie meint, Sophie wäre eifersüchtig auf sie und das Kind, das sie erwartet.“
„Wenn Julia das sagt.“ Kristina nahm die Fangopackung herunter und legte sie zur Seite. „Dann wollen wir mal.“ Sie tastete seinen Rücken ab. „Tut’s hier weh?“, fragte sie und erhöhte den Druck an einer Stelle.
„Ohhh!“, jaulte er auf. „Nicht so fest.“
Während sie seine Rückseite bearbeitete, schwieg er. Diesen Mann habe ich mal geliebt, dachte Kristina bei sich. Der Gedanke kam ihr eigentümlich fremd vor.
„Wie geht es dir
Weitere Kostenlose Bücher