Romana Exklusiv 0172
wahrscheinlich auch meine schöne Frau kennenlernen, die so selbstlos ist, trotz meiner Behinderung bei mir zu bleiben.“
„Ich wünschte, er würde es endlich akzeptieren. Ich hatte gehofft, dass deine Anwesenheit …“, begann die Condesa, als er weg war, und seufzte.
„Meine?“ Davina lächelte krampfhaft. „Ich bin für ihn keine Hilfe, sondern eher eine Belastung. Meine Anwesenheit erinnerte ihn viel zu sehr daran, dass er lieber mit Carmelita zusammen wäre.“
Sekundenlang saß die ältere Dame gedankenverloren da. Dann sah sie Davina an und wollte etwas sagen. Doch in dem Moment wurden sie von einer der Hausangestellten gestört.
„Dr. Gonzales ist da“, erklärte die Frau. „Er will zum Conde.“
„Der Arzt hat Ruy auf die Welt geholt“, erzählte die Condesa, während sie mit Davina über den Innenhof ins Haus ging. „Er ist ein Freund der Familie und war immer unser Hausarzt. Du musst ihn unbedingt kennenlernen.“
Dann stellte die Condesa sie dem Arzt vor und ließ die beiden unter einem Vorwand allein.
Der Arzt betrachtete Davina mit seinen dunklen Augen aufmerksam. „Sie sind also Ruys Frau“, stellte er schließlich lächelnd fest. „Damals, als Sie und Ruy geheiratet haben, war ich in Südamerika bei meinem Sohn. Ich habe schon viel über Sie gehört, und ich muss gestehen, ich bin … überrascht.“
Er nahm Davina am Arm und führte sie in den Patio. „Sie machen auf mich nicht den Eindruck, als würden Sie Ihren Mann mutwillig verlassen und mit einem Liebhaber davonlaufen. Das würde nicht zu Ihnen passen, Sie wirken zu verletzlich.“
„Ich habe Ruy verlassen, weil … ich eine Ehe ohne Liebe nicht ertragen konnte. Einen Liebhaber habe ich nie gehabt“, entgegnete sie.
„Aber jetzt sind Sie wieder hier, bei Ihrem Mann. Was meinen Sie, hat er sich sehr verändert?“
„Zumindest etwas. Er ist sehr verbittert, was ich verstehen kann. Wenn man seine Beine nicht mehr bewegen kann und dann auch noch die Frau verliert, die man liebt …“
„Sie scheinen überzeugt zu sein, dass Liebe oder fehlende Liebe Einfluss auf die Psyche hat. Das ist gut. Hat Ruy Ihnen schon etwas Genaueres über seinen Zustand erzählt?“
„Ich weiß nur, dass er gelähmt ist“, erwiderte Davina erstaunt. „Natürlich habe ich auch die Narbe gesehen …“ Sie biss sich auf die Lippe und überlegte, wie sie die Frage formulieren sollte, die ihr auf der Seele brannte. „Doktor Gonzales, wenn man gelähmt ist, hat man doch kein Gefühl mehr in den betroffenen Körperteilen. Trotzdem hat Ruy Schmerzen. Er hat Schmerztabletten genommen, und ich weiß …“ Sie errötete vor Verlegenheit. „Also, ich weiß, dass er … gewisse körperliche Reaktionen hat.“
Zu ihrer Erleichterung stellte der Arzt keine Fragen, sondern streichelte ihr nur die Hand. „Sie sind eine sehr vernünftige junge Frau. Wenn Sie behaupten, Ruy habe solche Reaktionen, dann wird es stimmen.“ Er zwinkerte ihr zu. „Es freut mich, das zu hören. Ruy ist ein sehr stolzer Mann, und dass es Ihnen gelungen ist, die Schutzmauer, mit der er sich umgeben hat, zu durchbrechen, beruhigt mich. Männer sind und bleiben Männer, Condesa, ob sie an den Rollstuhl gefesselt sind oder nicht. Auch wenn Ruy nicht mehr laufen kann, bedeutet es nicht automatisch, dass er keine Schmerzen oder sonst etwas empfindet.
Als ich erfuhr, Sie seien zurückgekommen, war ich etwas skeptisch. Immerhin hatten Sie ihn verlassen. Er braucht Sie dringender als je zuvor. Vielleicht gelingt es ihm jetzt, seine körperlichen und auch seelischen Grenzen zu überwinden. Irgendwie hatte ich befürchtet, Sie könnten ihn eventuell vollends zerstören. Ich bin froh, dass das Gegenteil zutrifft.“ Die Stimme des Arztes klang ernst und eindringlich.
Davina sah ihn leicht irritiert an. Was wollte er damit sagen?
„Kommen Sie, wir setzen uns hin und unterhalten uns“, schlug er vor. Er wies auf eine Steinbank in einer Mauer neben dem kleinen Teich, in dessen Wasser sich Licht und Schatten spiegelten und in dem sich Karpfen zwischen Wasserlilien tummelten.
„Haben Sie schon darüber nachgedacht, dass ein zweites Kind Ruy aus seiner Mutlosigkeit und Verzweiflung herausreißen könnte?“, fragte der Arzt. „Seine Mutter ist davon überzeugt, er könne keine Kinder mehr zeugen. In dieser Meinung ist sie von einer bestimmten Frau, die glücklicherweise nicht mehr da ist, bestätigt worden.“
„Sie sprechen von Carmelita, stimmt’s?“ Davina lächelte
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