Romana Exklusiv 0176
plötzlich erwachsen geworden.“
Merrys Unterlippe zitterte, und plötzlich lag sie in seinen Armen und schluchzte herzzerreißend.
„Hey“, sagte ihr Vater schließlich sanft und hielt sie auf Armeslänge von sich fort. „So weh tut es, erwachsen zu werden?“
„Ich fürchte ja.“ Sie trocknete sich das Gesicht mit seinem Taschentuch und versuchte zu lächeln.
„Ein Mann?“
„Ja“, bekannte Merry, unfähig, die ganze Wahrheit auszusprechen.
„Jetzt fühle ich mich wirklich wie ein alter Mann“, lächelte Malcolm. „Meine Tochter hat ihre erste unglückliche Liebesaffäre.“
„Oh Dad!“
Alles war in Ordnung, wenn sie mit ihrem Vater zusammen war. Sie spürte seine Liebe, sah die Ähnlichkeit zwischen ihnen beiden. Gideons Behauptung erschien ihr absurder als je zuvor. Sie schämte sich, seinen Worten jemals Beachtung geschenkt zu haben.
Es war eine schöne Zeit daheim. Dennoch bemerkte Merry nach einer Weile einen Unterschied in ihrem eigenen Verhalten. Sie war unruhig, und das nicht nur, weil sie keinen Job hatte. Sie beobachtete ihren Vater aufmerksamer als je zuvor. Wieso war ihr früher nicht aufgefallen, dass die Ähnlichkeit zwischen ihnen fast nur auf der gleichen Haarfarbe beruhte? Außerdem war sie recht klein, während Malcolm und Sarah groß waren. Allmählich fühlte sie sich immer unsicherer. Und langsam begann sie, Gideon Steeles phantastischen Behauptungen zu glauben.
Eines Tages kam sie vom Einkaufen nach Hause und fand Gideon im Gespräch mit ihrem Vater.
„Dein Freund kommt direkt aus London“, lächelte Malcolm. Nie im Leben würde Merry Gideon Steele als einen Freund bezeichnen! Allerdings gab er sich Mühe, so zu wirken, denn er begrüßte sie sehr herzlich.
„Meredith! Ich habe Ihrem Vater gerade erzählt, wie wir uns kennengelernt haben.“
„Das haben Sie getan?“
Gideon war um einiges größer als Merrys Vater. In gutsitzenden schwarzen Hosen und schwarzem Hemd wirkte er noch eindrucksvoller als sonst. Seine Persönlichkeit schien den ganzen Raum und die Menschen darin zu beherrschen.
„Ja“, bestätigte er lächelnd. „Ich glaube, unsere Begegnung war das einzig Sinnvolle, das Harry Anderson in seinem Leben zustande gebracht hat.“
„Harry?“ Was, in aller Welt, hatte Gideon ihrem Vater erzählt? Natürlich wusste Malcolm über Harry Bescheid. Merry hatte ihm über das entsetzliche Theaterstück berichtet. Doch was hatte Harry mit ihr und Gideon zu tun?
„Dieser Harry scheint ja ein scheußlicher Mensch zu sein“, lachte Malcolm.
„Das ist er wirklich“, nickte Gideon. „Keinesfalls ein Mann, mit dem Merry sich einlassen sollte. Außerdem war es eine Verschwendung ihres schauspielerischen Talents.“ Belustigt lächelnd betrachtete er Merry.
Ihr Vater sah auf seine Uhr. „Ich muss jetzt gehen. Zeit zur Arbeit. Ich bin sicher, Merry wird Ihnen gern ein Abendessen machen“, fügte er gutmütig hinzu. „Ich selbst habe schon gegessen. Bis später, mein Liebes. Sehe ich Sie noch, Gideon?“
Misstrauisch hörte Merry zu. Gideon und ihr Vater hatten nicht lange gebraucht, um miteinander warm zu werden. Was, zum Teufel, hatte Gideon ihrem Vater erzählt?
„Ich weiß es noch nicht, Malcolm“, antwortete Gideon, ohne Merry aus den Augen zu lassen.
„Ich verstehe. Sei nicht zu streng mit ihm, Liebes“, riet er Merry und ging.
Merry wurde rot. Offenbar glaubte ihr Vater, Gideon sei für ihren ersten Liebeskummer verantwortlich. Unter seinem herausfordernden Blick verstärkte sich ihre Verlegenheit noch.
„Was tun Sie hier?“, fauchte sie ihn an.
Er machte es sich in einem Sessel bequem. „Ich habe doch gesagt, ich werde zurückkommen, sobald ich mir meiner Sache sicher bin.“
„Und sind Sie es?“
„Ja, Merry. Ja, ich bin sicher.“
Das Mitgefühl in seiner Stimme passte gar nicht zu diesem so entschlossenen Mann. Er erhob sich und ging im Zimmer auf und ab. „Ich habe mich an Harrington gewandt und ihn aufgefordert, alle Beweise noch einmal genau zu überprüfen. Es besteht überhaupt kein Zweifel. Ich nehme an, Sie haben noch nicht mit Ihrem Vater gesprochen?“
„Nein! Und ich werde es auch nicht tun!“
„Aber Sie glauben mir?“
Nervös befeuchtete Merry ihre Lippen mit der Zunge. Sie konnte nicht lügen. Es war auch unwahrscheinlich, dass ein Mann wie Gideon Steele sich in einer so wichtigen Angelegenheit irren sollte. Wenn er sagte, dass seine Stiefmutter Anthea Merrys leibliche Mutter war, dann musste sie ihm
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