Romana Exklusiv 0176
erwartet, doch sie wurde getäuscht. Gideon Steele nickte nur.
„Anthea hat das nie bestritten. Aber seit zwanzig Jahren hegt sie deswegen Schuldgefühle. Sie möchte ihr Kind sehen.“
„Ist ihr nie der Gedanke gekommen, dass ihre Tochter sie vielleicht keineswegs sehen möchte?“
„Anthea möchte ihre Tochter sehen, doch sie hat niemals versucht, das zu erreichen. Meine Stiefmutter weiß nicht, dass ich Sie gefunden habe.“
„Aber Sie haben das falsche Mädchen gefunden. Das sage ich doch dauernd.“ Merry war der Verzweiflung nahe.
Sein Mund bildete eine entschlossene Linie. „Es gibt einen ganz einfachen Weg, diese Frage zu klären, Meredith.“
„Nennen Sie mich Merry“, sagte sie ungehalten. „Was für einen Weg, meinen Sie?“
„Fragen Sie Ihren Vater.“
„Nein!“ Entsetzt starrte Merry ihn an.
„Sie haben Angst.“
„Die habe ich nicht. Aber es ist nicht fair, meinem Vater so etwas zuzumuten. Er hat den Tod meiner Mutter niemals überwunden. Da werde ich ihn nicht fragen, ob er wirklich mein Vater ist.“ Voller Abscheu betrachtete sie Gideon. „Das tue ich ihm nicht an.“
„Dann glauben Sie meinem Wort.“
„Dazu habe ich keine Veranlassung“, erklärte sie kalt. „Warum lassen Sie mich nicht endlich allein?“
„Normalerweise hätte ich mir nicht die Mühe gemacht, Sie aufzufinden“, erklärte er barsch. „Antheas Vergangenheit geht nur sie selbst etwas an und meinen Vater, falls sie ihm davon erzählen möchte. Doch letztes Jahr hat sie uns beiden von Ihnen erzählt.“
„Warum?“ Merry war verblüfft.
„Wenn Sie nicht ihre Tochter sind, was geht es Sie dann an?“
Sie errötete.
„Sie haben mich in diese Angelegenheit verwickelt. Ich frage also nicht aus Neugier.“
„Wenn Sie nicht die Meredith Charles sind, die ich suche, so gibt es keinen Grund, Sie mit den Einzelheiten vertraut zu machen.“ Er wandte sich zur Tür. „Wie Sie bereits vorgeschlagen haben, werde ich mich zu meinem Informanten zurückbegeben. Und ich schlage vor, Sie befragen inzwischen Ihren Vater.“
„Ich …“
„Ich werde zurückkommen, Meredith“, warnte er. „Falls es nötig sein sollte, mit Harrington und Beweisunterlagen. Darauf sollten Sie sich vorbereiten. Suchen Sie Ihren Vater auf“, fügte er sanfter hinzu. „Was kann das schaden? Ich bin sicher, Sie können die Wahrheit erfahren, ohne Malcolm Charles zu kränken. Bis bald, Meredith.“
Sobald Gideon Steele das Apartment verlassen hatte, eilte Vanda ins Schlafzimmer. „Es tut mir so leid, Merry! Er ließ sich einfach nicht abweisen. Und er ist nicht der Typ, mit dem man sich auf Streit einlässt.“
„Nein“, stimmte Merry zu und holte ihren Koffer vom Schrank. „Ich werde für ein paar Tage zu meinem Vater fahren, Vanda. Falls Mr. Steele noch einmal zurückkommt, weißt du nicht, wo ich bin, verstanden?“
„Solche Angst hast du vor ihm?“
Merry lächelte gequält. „Ich habe keine Angst vor ihm. Ich kann ihn nicht leiden.“ Das stimmte, sie mochte seine Selbstsicherheit, seine Arroganz nicht.
„Er hat dir also keine Rolle angeboten?“ Vanda saß auf dem Bett und sah Merry beim Packen zu.
Nur die Rolle seiner Stiefschwester, dachte Merry. Unvorstellbar, dass dieser Mann ein Verwandter von ihr sein sollte, wenn auch nur ein entfernter.
„Nein“, antwortete sie. „Da ich also sowieso keine Arbeit habe, werde ich Vater für ein paar Tage besuchen. Seit Mutters Tod fühlt er sich recht einsam.“
Tatsächlich wirkte Merrys Vater so munter wie immer. Sein Beruf nahm ihn sehr in Anspruch und füllte auch die meisten seiner Abende aus.
Er holte Merry am Bahnhof ab. „Ich konnte es nicht glauben, dass du wirklich kommst“, sagte er nach ihrer stürmischen Begrüßung. Merry betrachtete ihn liebevoll. Sein Haar war so schwarz wie ihr eigenes, und trotz seiner bald fünfzig Jahre war Malcolm Charles noch immer ein gutaussehender Mann.
Ihr Vater plauderte über die Dorfbewohner und die Ereignisse der letzten Zeit. Glücklich sah Merry aus dem Fenster des Autos. Nichts hatte sich verändert. Sie winkte einigen Nachbarskindern zu. Nach der Anonymität Londons tat es ihr immer wohl, nach Wildton zurückzukommen, wo jeder jeden kannte.
Sie betraten den kleinen Bungalow. „Es ist alles wie früher“, sagte Merry.
„Du hast dich verändert“, erwiderte ihr Vater.
„Wie meinst du das?“
Er lächelte ein wenig traurig. „Als du vor zwei Jahren fortgingst, warst du ein kleines Mädchen. Jetzt bist du
Weitere Kostenlose Bücher