Romana Exklusiv 0176
glauben. Aber das änderte nichts. Merry würde Sarah und Malcolm Charles stets als ihre Eltern lieben. Anthea Steele hatte sie aufgegeben, als sie noch ein Baby war. Sie hatte keine Ansprüche an sie, weder moralisch noch emotionell.
„Ja, ich glaube Ihnen“, erwiderte sie mit kalter Stimme.
„Also werden Sie Anthea sehen?“
„Nein.“
„Meine Güte, Mädchen! Sie ist Ihre Mutter!“, rief er zornig. „Sie hat Sie zur Welt gebracht.“
„Und mich danach verlassen, wie es scheint!“ Merrys grüne Augen glitzerten gefährlich.
„Sie war sehr jung, sie ist jetzt erst achtunddreißig.“
„Es ist mir egal, wie jung sie war. Sie hat mich aufgegeben. Sie kann nicht zwanzig Jahre später wieder auftauchen und die liebevolle Mutter spielen. Es wäre Unrecht gegenüber meinem Vater, Antheas Existenz überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.“
Gideon schüttelte den Kopf. „Ich bin sicher, Sie beurteilen Ihren Vater falsch. Er ist ein vernünftiger Mann.“
„Das steht hier nicht zur Diskussion.“
„Sprechen Sie nicht in diesem Ton zu mir, Merry.“
„Es ist mir egal, was Sie denken. Ich bin nicht im Geringsten daran interessiert, Ihre Stiefmutter kennenzulernen, denn sie ist nichts anderes für mich. Meine eigene Mutter hat mit mir gespielt, als ich ein Baby war, bei mir gewacht, wenn ich krank war. Sie hat mir in der Schule geholfen, mir Mut für meine Examen gemacht, meine Aufnahme in die Schauspielschule mit mir gefeiert. Was hat Ihre Stiefmutter für mich getan?“ Merrys Verachtung war unmissverständlich.
Gideon Steele wirkte mühsam beherrscht, doch er war weit davon entfernt, sich geschlagen zu geben.
„Natürlich erwarte ich nicht, dass Sie sie mit offenen Armen empfangen oder dass Anthea den Platz Ihrer Adoptivmutter einnehmen sollte …“
„Niemals könnte sie das!“, unterbrach Merry ihn hitzig.
Ungeduldig sah er sie an. „Wie ich bereits sagte“, fuhr er in schärferem Ton fort, „niemand erwartet so etwas. Aber vielleicht könntet ihr Freundinnen werden. Anthea würde sich sehr freuen“, fügte er sanfter hinzu.
Misstrauisch studierte Merry seine Züge. Konnte es sein, dass Gideon für seine Stiefmutter keineswegs die Gefühle eines Sohnes hegte? Anthea war erst achtunddreißig, also nur vier Jahre älter als er. Außerdem war sie wesentlich jünger als ihr Mann …
„Hat sie Ihren Vater des Geldes wegen geheiratet?“
Seine Stimme war wie ein Peitschenknall. „Was soll diese Frage?“
Merry warf den Kopf zurück. „Hat sie?“
„Sie sind seit zwölf Jahren verheiratet. Falls Anthea um des Geldes willen diese Ehe eingegangen wäre, hätte mein Vater es inzwischen gemerkt.“
„Zwölf Jahre?“, wiederholte Merry. „Dann hatte sie Zeit genug, sich nach ihrer Tochter zu sehnen. Warum gerade jetzt? Warum bekommt sie nicht noch ein Kind und vergisst mich?“
„Allmählich halte ich das auch für die beste Lösung“, wütete er.
Merry wurde rot.
„Aber werden Sie sie vergessen? Seien Sie nicht dumm, Merry. Jetzt, da Sie von Anthea erfahren haben, wird es Ihnen unmöglich sein, ihre Existenz zu ignorieren. Doch ich will Ihre Frage beantworten. Anthea hatte stets den Wunsch, Sie kennenzulernen. Doch sie wollte fair sein und nicht in Ihr Leben eindringen, solange Sie noch ein Kind waren.“ Zumindest Gideon schien das wirklich zu glauben. „Letztes Jahr, als sie in der Klinik lag, hat sie uns von Ihnen erzählt. Ich glaube, wir sollten einfach wissen, dass sie eine Tochter hat. Eine Tochter, die sie liebt.“
„In der Klinik?“, wiederholte Merry. „Was fehlte ihr denn?“
„Wieso interessiert Sie das?“, spottete er.
„Tut es ja gar nicht …“
„Sie hatte einen Zusammenbruch. Ihre Nerven waren schon seit Jahren sehr strapaziert, und eines Tages klappte sie zusammen. Es war Ihretwegen. Anthea hat ihre Schuldgefühle niemals überwunden.“
„Das war letztes Jahr? Sicher geht es ihr jetzt wieder gut?“
Gideon seufzte. „Oberflächlich gesehen ja. Doch seitdem nimmt sie ständig Tabletten. Mein Vater fürchtete einen zweiten Zusammenbruch.“
Ein verächtlicher Zug spielte um Merrys Mund. „Würde mein plötzliches Auftauchen ihr nicht einen Schock versetzen? Angeblich weiß Ihre Stiefmutter doch nichts von Ihrer Suche nach mir.“
„Leider weiß ich nur zu gut, wie unecht Ihre Besorgnis ist“, rief er verärgert. Er zog eine Karte aus seiner Brusttasche und kritzelte etwas auf die Rückseite. „Wenn Sie doch noch ein wenig Mitgefühl in sich
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