Romana Exklusiv 0186
oder?“ Er zog warnend eine Augenbraue hoch.
David hatte offenbar nicht erwartet, von Enrique zurechtgewiesen zu werden. „Du verstehst das nicht“, protestierte er mürrisch und warf seiner Mutter einen trotzigen Blick zu. „Sie wollte mich wegbringen.“
„So redet man nicht über seine Mutter.“ Enriques Stimme klang vorwurfsvoll und scharf. Aber der Junge hatte seinen Verdacht bestätigt, Cassandra habe umziehen oder vorzeitig zurückfliegen wollen. Er atmete tief ein und fügte hinzu: „Wie bist du hergekommen?“
David hob das Kinn. „Hat sie es dir nicht erzählt?“, fragte er reichlich unverschämt. Als die erwartete Reaktion ausblieb, sagte er trotzig: „Mich hat jemand mitgenommen.“
„Wie bitte?“, mischte Cassandra sich jetzt ein. „Von Ortegar aus?“
„Von wo sonst?“ Das Gespräch verlief nicht so, wie David es sich vorgestellt hatte. Was hätte ich gemacht, wenn ich bei Davids Ankunft hier gewesen wäre?, überlegte Enrique. Wahrscheinlich hätte ich ihn zu seiner Mutter zurückgebracht, gab er sich sogleich selbst die Antwort. Man sollte ihn nicht der Kindesentführung beschuldigen. „Den Kaufmans war es egal, was ich gemacht habe“, erklärte David. „Sie haben Horst und mich einfach allein gelassen und sich an die Bar gesetzt.“
„Das stimmt nicht“, wandte Cassandra ein. „Außerdem bist du gern mit Horst zusammen. Du hast während der ganzen Ferien mit ihm gespielt.“
„Während der ganzen Ferien!“, wiederholte David spöttisch. „Wir sind doch erst vier Tage hier, Mum. Und wer sagt denn, ich würde gern mit ihm spielen? Er ist ein Schwächling.“
„Heute Morgen wolltest du jedenfalls unbedingt mit ihm und seinen Eltern fahren“, wandte Cassandra ein.
David verzog das Gesicht. „Hast du immer noch nicht begriffen, warum?“
„Jetzt reicht es.“ Enrique hatte genug gehört. „Deine Mutter hat dich vorhin etwas gefragt. Wie bist du von Ortegar nach Tuarega gekommen?“
„Das habe ich doch schon erklärt“, verteidigte sich David lautstark.
Langsam wurde Enrique klar, dass Cassandra mit diesem kleinen Tyrannen wahrscheinlich alle Hände voll zu tun hatte. „Du hast keine richtige Antwort gegeben“, entgegnete er kühl. „Wer hat dich mitgenommen? Es war sicher kein Bekannter von euch.“
David zuckte die Schultern. „Jetzt kenne ich ihn.“ Als er Enriques vorwurfsvollen Blick bemerkte, ließ er die Schultern sinken. „Okay, es war ein Lastwagenfahrer. Er hat beinah genauso gut Englisch gesprochen wie du. Wir haben uns die ganze Zeit unterhalten.“
„O, David!“ Cassandra war entsetzt.
Am liebsten hätte Enrique sie getröstet. Der Junge war da, es ging ihm gut, und sie war nicht schuld an seinem eigenmächtigen Handeln.
„Ich kann mir vorstellen, dass die Kaufmans sich bei dir über mein Verschwinden beschwert haben“, fuhr David fort. „Weshalb bist du überhaupt hier? Du hast doch behauptet, du würdest nie nach Tuarega kommen.“
„Das hättest du dir gewünscht!“ Cassandra erholte sich langsam von dem Schock. „Ist es dir eigentlich egal, wie sehr du mich aufregst und beunruhigst?“
„Ach, Mum.“ David schob die Hände in die Taschen seiner Shorts. „Du hast doch gewusst, wo ich war. Weshalb hättest du sonst … ihn angerufen?“ Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Enrique.
„Deine Mutter hat mich nicht angerufen, das brauchte sie nicht“, stellte Enrique kurz angebunden fest. Der Junge verdiente es, bestraft zu werden. „Wir sind zusammen essen gegangen. Bei unserer Rückkehr haben uns die Kaufmans berichtet, du seist verschwunden. Sie konnten nicht ahnen, wo du warst.“
„Ihr seid zusammen essen gegangen?“, rief David vorwurfsvoll aus. „Warum hat mir niemand verraten, dass ihr euch treffen wolltet?“
„Wie bitte?“ Enrique sah ihn halb belustigt, halb ungläubig an.
„David …“ Cassandra wollte sich einmischen, doch der Junge war viel zu empört und ignorierte sie.
„Ich wäre auch gern mit dir essen gegangen“, sagte er mürrisch zu seinem Onkel. „Gestern hast du noch behauptet, du wolltest mich wieder sehen. Du warst zornig, weil meine Mum nicht auf dich hören wollte. Ich wette, sie hat mich absichtlich mit den Kaufmans weggeschickt. Sie wollte mich aus dem Weg haben.“
„Die Welt dreht sich nicht nur um dich, mein Junge“, antwortete Enrique. „Was deine Mutter und ich miteinander zu tun haben, geht dich nichts an. Hast du mich verstanden? Du wirst nie wieder das, was sie und ich
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