Romana Exklusiv 0186
gegenüber.
Sogleich fiel Cassandra ein, dass sie kein Make-up aufgetragen hatte. Sie benutzte es sowieso nicht regelmäßig, doch meist zog sie die Augenbrauen etwas nach und betonte die Lippen. Aber weil David noch schlief, hatte sie sich in dem kleinen Badezimmer rasch gewaschen und ein T-Shirt und eine dreiviertellange Hose angezogen.
„Du bist früh dran“, stellte sie fest. „David ist noch nicht aufgestanden.“
„Ich will nicht mit David, sondern mit dir sprechen“, antwortete Enrique und winkte den Kellner herbei, um sich einen Kaffee zu bestellen. Dann blickte er Cassandra an. „Hast du gut geschlafen?“
Nervös fuhr sie sich mit den Fingern durch das Haar. „Ich nehme an, damit willst du mir höflich zu verstehen geben, dass ich schlecht aussehe“, erwiderte sie und versteifte sich. „Was willst du, Enrique?“
„Mit dir reden.“ Der Kellner servierte ihm den Kaffee, und Enrique drückte dem Mann einen Geldschein in die Hand. Dann wandte er sich wieder an Cassandra. „Du brauchst keine Angst zu haben. Es muss keineswegs unangenehm werden.“
„Wetten wir, dass es das doch wird?“, erwiderte sie leise.
„Ich meine es ernst“, erklärte er. „Es kann schwierig oder leicht sein. Letztlich hängt es nur von dir ab.“
„Sicher.“ Sie sah ihn an. „Solange ich das tue, was du dir vorstellst, ist es für mich leicht. Wenn ich nicht mit allem einverstanden bin, wirst du mir das Leben schwer machen.“
Enrique schüttelte den Kopf. „Ich will dir das Leben nicht schwer machen.“
„Aber du wirst es tun, wenn es deiner Meinung nach sein muss.“
„Ja, falls du meinem Vater das Recht verweigerst, seinen Enkel kennenzulernen.“
„Wie beruhigend“, stellte sie verächtlich fest.
„Ich bin nicht dein Gegner, Cassandra. Warum begreifst du nicht, was das alles für mich bedeutet? Der Junge ist ein de Montoya, oder etwa nicht?“ Als sie schwieg, fuhr er fort: „Na bitte. Es ist doch nur vernünftig, dass er die Chance bekommt, sich mit seinem zukünftigen Erbe vertraut zu machen. Momentan ist er die einzige Hoffnung meines Vaters, obwohl mein Vater es noch nicht weiß.“
„Was soll das denn heißen?“ Cassandra war verblüfft.
„Das kannst du dir doch denken.“
Panik stieg in ihr auf. „Willst du damit andeuten, David …“
„Würde eines Tages Tuarega erben?“, beendete er den Satz für sie. „Ja, das ist durchaus möglich.“
„Nein!“, rief sie entsetzt aus.
„Warum denn nicht?“ Enrique zog eine Augenbraue hoch.
„Weil du der älteste Sohn deines Vaters bist. Dein Sohn wird Tuarega erben.“
„Und wenn ich keinen Sohn bekomme?“ Sein Blick wirkte rätselhaft. „Ich habe nicht vor zu heiraten, deshalb …“
„Das musst du aber.“ Cassandra schüttelte den Kopf. „David ist mein Sohn. Meiner! Er braucht das nicht, was … du ihm da anbietest.“
„Wirklich nicht? Kannst du das für ihn entscheiden?“
„Nein.“ Sie atmete tief ein. „Enrique, er ist noch ein Kind.“
„Das weiß ich.“ Er zuckte die Schultern. „Er soll sich ja auch erst entscheiden, wenn er älter ist, viel älter. Trotzdem soll er jetzt schon die Chance haben, alles über seine Familie väterlicherseits zu erfahren. Dann kann er besser einschätzen, welche Vorteile er bei uns hätte.“
„Das kannst du nicht machen!“, protestierte sie. Ihr war jedoch klar, dass er es doch tun würde. Sie hatte sich eingeredet, Antonios Familie verdiene es nicht, über Davids Existenz informiert zu werden. In Wahrheit hatte sie sich jedoch nur Kummer und Leid ersparen wollen.
„Er soll mit mir nach Tuarega kommen und den restlichen Urlaub bei uns verbringen“, fuhr Enrique fort.
„Das meinst du nicht ernst!“ Cassandra sah ihn fassungslos an. „Du musst mir Zeit geben …“
„Wozu? Um den Jungen gegen mich zu beeinflussen?“
„Natürlich nicht. Aber es geht mir zu schnell.“
„Finde ich nicht. Es ist die vernünftigste Lösung. Es wird ihm gefallen.“ Er machte eine Pause. „Und dir auch.“
„Mir? Erwartest du etwa, dass ich mitkomme?“
„Ich bin kein Unmensch, obwohl du mich dafür hältst“, antwortete er ruhig. „Ich habe nicht vor, dir den Jungen wegzunehmen. Das war nie meine Absicht. Vielleicht sollten wir endlich die Vergangenheit vergessen.“
Cassandra konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. „Das ist unmöglich.“
„Mag sein“, gab er leicht irritiert zu. „Sei vernünftig, Cassandra. Bitte.“ Er schob die Tasse weg, ohne den Kaffee
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