Romana Exklusiv 0187
entmutigen versuchte. Als sie danach zu ihrem Zimmer wollte, hörte Tansy auf der Terrasse Jessica Sullivan fragen: „Wer ist diese Tansy eigentlich? Sollten wir sie kennen?“
„Nein, sie ist einfach ein nettes Mädchen, eine Freundin von Ricky“, erwiderte Grace.
Tansy stahl sich über den Flur, doch nicht schnell genug. Sie hörte die junge Frau lachen und sagen: „Oh. Er fängt früh an, genau wie Leo!“
„Nein, nein, so ist das nicht“, widersprach Grace nervös. „Tansy macht hier Urlaub.“
„Dann ist Ricky hier?“
Warum hielt die Frau nicht den Mund?
„Nein, er ist auf der Südinsel.“
Sagte Grace das, weil sie es wusste?
„Aber Weihnachten wird er doch sicher nach Hause kommen?“, fragte Mrs. Sullivan.
Grace seufzte. „Wahrscheinlich nicht.“
„Natürlich wirst du ihn vermissen, aber junge Leute müssen lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. Eine Fremde bei dir abzuladen ist allerdings ziemlich rücksichtslos von ihm. Und auch noch in der Weihnachtszeit. Na, Jungen denken über so etwas nicht nach. Wie lange bleibt sie?“
„Ich weiß nicht genau, Jessica.“ Es klang ein bisschen verzweifelt.
„Niemand möchte über Weihnachten eine völlig Fremde in seinem Haus haben, besonders wenn es einem nicht so gutgeht, das müsste sie doch eigentlich begreifen“, sprach die jüngere Frau weiter. „Manche Menschen können sich einfach nicht benehmen.“
Tansy wurde wütend.
„Sie ist ein sehr nettes Mädchen“, sagte Grace energisch.
Seltsam gerührt ging Tansy weiter. In ihrem Zimmer setzte sie sich aufs Bett und blickte auf ihre bebenden Hände. Diese Jessica Sullivan war aufrichtig besorgt und zornig gewesen.
Und am schlimmsten war, dass sie, Tansy, ihr zustimmte. Grace konnte sie hier nicht gebrauchen, sie war nur eine Last, geduldet, weil sie die einzige Verbindung zu Rick war.
Die Jacht lag drei Tage in der Bucht. Tansy erfuhr, dass Jessica Sullivan jeden von Bedeutung in Neuseeland kannte und sie und ihr ziemlich unscheinbarer Ehemann wie Leo mit den meisten von ihnen verwandt waren.
Tansy fühlte sich unbehaglich, konnte jedoch nicht Jessica Sullivan die Schuld geben, denn die Frau unterhielt sich freundlich mit ihr, sobald sie zusammentrafen. Trotzdem fand Tansy es fast unmöglich, mit ihr zu reden, weil sie sich wegen deren Bemerkungen wie ein Kuckucksei vorkam. Doch es war nicht mehr so leicht, ihrer Wut auf Leo, der sie in eine solche Lage gebracht hatte, freien Lauf zu lassen. Auch wenn sie ihm nicht verzeihen konnte, verstand Tansy, warum er es getan hatte.
Sie benutzte von den Sachen, die Leo ihr gekauft hatte, nur zwei Hosen und zwei T-Shirts, die sie abwechselnd trug, und ärgerte sich, weil er es nicht zu bemerken schien.
Es war eine Qual, mit anzusehen, wie es Grace mit jedem Tag schlechter ging. Tansy mied alle und blieb in ihrem Zimmer oder machte allein Spaziergänge.
Sie war ungeheuer erleichtert, als die Sullivans endlich abfuhren. Nachdem sie zugesehen hatte, wie die Spitze des Segels hinter der kleinen Landzunge verschwand, wollte Tansy ins Haus zurückkehren. Dann wartete sie aber noch, weil in diesem Moment das kleine Wasserflugzeug, das die Inseln im Golf anflog, in die Bucht schwebte und aufsetzte.
„Wer kommt jetzt?“, fragte sich Tansy verdrossen.
Niemand kam jedoch. Stattdessen flogen Grace und Leo ab und blieben bis zum Abend fort, und Tansy beobachtete ängstlich, wie sie nach der Landung vom Wasserflugzeug zum Strand gerudert wurden und zum Haus hinaufgingen. Doch weder Grace’ noch Leos Miene verriet ihr etwas. Grace ging sofort ins Bett, und Leo schloss sich in seinem Büro ein.
Tansy konnte nicht schlafen. Sie saß nervös auf der Terrasse, als Frankie nach draußen kam, regungslos am Rand des Rasens stehenblieb und starr auf die herabhängenden Zweige der Pohutukawabäume schaute.
„Geht es ihr gut?“, fragte Tansy.
Frankie drehte sich erschrocken um. „Nein.“ Sie hatte offensichtlich geweint, denn ihre Stimme klang zittrig. „Grace muss noch einmal operiert werden, und selbst dann können wir nur hoffen. Der Arzt wollte nichts versprechen.“
„Tut mir leid.“
„Ach, ja? Und warum reisen Sie nicht ab? Merken Sie denn nicht, dass Sie hier unerwünscht sind?“, fragte Frankie verbittert.
Tansy war in Versuchung, ihr zu sagen, warum sie blieb, doch sie erwiderte nur ruhig: „Ich bin hier, weil Leo es so will.“ Sie stand auf, ging in ihr Zimmer und setzte sich auf die Bettkante. Sollte sie im Camp anrufen?
Wenn
Weitere Kostenlose Bücher