Romana Exklusiv 0187
sie das täte, würde Leo wissen, wo sie angerufen hatte, sobald er die Rechnung erhielt, und Rick sofort nach Hause holen.
Noch nie hatte sich Tansy so allein gefühlt, war sie so besorgt wegen der Folgen ihres Handelns gewesen. Was immer sie tat, sie würde jemandem schaden.
Warum hatte Leo seiner Stiefmutter verschwiegen, dass sie, Tansy, wusste, wo Rick war? Leo war zu intelligent, um nicht zu erkennen, wie sehr Grace’ Zustand seine widerspenstige Gefangene berührte. Ihm musste klar sein, dass der Druck für sie unerträglich würde, sobald Grace Bescheid wusste.
Vielleicht hatte Leo eingesehen, dass niemand sie so einschüchtern konnte, dass sie etwas tat, was sie für falsch hielt. Und wenn sie dennoch weiterhin schwieg, würde Grace am meisten leiden.
Beeinflusst durch Ricks Meinung über seine Mutter, hatte Tansy nicht erwartet, dass sie Grace mögen würde, aber die Frau nötigte ihr Respekt ab. Sie hatte sich bemüht, eine gute Gastgeberin zu sein, dafür zu sorgen, dass sie, Tansy, sich wohl fühlte.
Wenn Leo ihr sagte, dass Grace sterben würde, was täte sie dann?
Schließlich ging Tansy ins Bett, und als sie am Morgen aufwachte, hatte sie eine Entscheidung getroffen. Sie würde darauf bestehen, nach Hause zu fahren. Nach dem Frühstück ignorierte sie energisch die kleine Stimme in ihrem Hinterkopf, die sie schalt, dass Davonlaufen keine Lösung sei, klopfte an die Tür von Leos Büro und betrat den Raum.
Er öffnete gerade seine Post. „Ja? Was ist?“, fragte er und sah mit zusammengekniffenen Augen auf.
„Ich will gehen.“
„Nein.“ Leo schlitzte den nächsten Umschlag auf.
„Die Situation ist unerträglich! Frankie glaubt noch immer, ich sei deine Geliebte, und die Sullivans waren so herablassend! Außerdem hilft es Grace nicht, wenn ich hierbleibe. Dir muss doch inzwischen klargeworden sein, dass ich nichts verraten werde. Also warum hältst du mich hier fest?“
„Weil du imstande bist, spurlos zu verschwinden, wenn ich dich gehen lasse.“
„Und wenn ich versprechen würde, es nicht zu tun?“, fragte Tansy wütend.
Leo lächelte gemein. „Sag mir, warum ich dir trauen sollte.“
Darauf hatte sie keine Antwort.
„Ich werde dich nicht gehen lassen. Kein Argument kann mich dazu bringen, meine Meinung zu ändern.“
„Ich habe keine Weihnachtsgeschenke“, erwiderte Tansy aufgebracht.
Leo lachte.
Sie verlor völlig die Beherrschung, ging auf ihn los und versuchte, ihn zu ohrfeigen.
Er packte sie an den Handgelenken und schüttelte sie, bis sie nach Luft rang. „Das reicht“, befahl er scharf. „Du wirst auf der Insel bleiben, bis du mir sagst, wo Ricky ist. Und jetzt hinaus!“
7. KAPITEL
Tansy lief aus dem Büro, schlug die Tür hinter sich zu und rannte den Flur entlang zum Klavier. Es war alt, aber gepflegt. Tansy setzte sich auf den Hocker und spielte die lauteste Musik, die sie kannte.
Schließlich wich ihre Empörung einer tiefen Niedergeschlagenheit. Anstatt sich wie eine Erwachsene zu benehmen, hatte sie einen Wutanfall bekommen wie seit ihrer Kindheit nicht mehr.
Leo musste deprimiert sein. Die Untersuchungsergebnisse seiner Stiefmutter waren bestimmt ein schwerer Schlag gewesen. Tansy beschloss, ihm Zeit zu geben, sich zu beruhigen, und sich dann bei ihm zu entschuldigen. Sie saß still am Klavier und spielte gedankenlos einige Takte, als sie ein Motorengeräusch hörte. Einen Moment lang glaubte sie, es wäre das Boot, doch die Lautstärke des Lärms draußen belehrte sie schnell eines Besseren. Das Wasserflugzeug kreiste über der Bucht. Tansy hörte Schritte auf der Terrasse, dann Frankies Stimme.
Tansy stand auf, überlegte es sich jedoch anders und sank zurück auf den Hocker. Sie war kein Familienmitglied. Es stand ihr nicht zu, nachzusehen, wer kam. Um sich abzulenken, begann sie, ernsthaft zu spielen, ein Stück von Rachmaninow, voller Leidenschaft und gewaltiger Akkorde.
Ein Schrei ließ Tansy erstarren. Im nächsten Moment sprang sie auf und rannte nach draußen auf die Terrasse – und blieb wie angewurzelt stehen.
Rick. Ein verlegener Rick, der unbeholfen seine weinende Mutter umarmte. Als er Tansy sah, machte er ein so erstauntes Gesicht, dass sie lachen musste, obwohl es ihr das Herz brach.
Jetzt, da Rick hier war, brauchte sie nicht zu bleiben. Sie konnte gehen. Aber das wollte sie – wie ihr plötzlich klar wurde – im Grunde nicht. Sie wollte bei Leo sein. Oh, nicht so wie bisher, als Schachfigur, die er hin und her bewegte,
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